16 Dez, 2022 | Artikel
Einseitige Aufkündigung des „Insektendialogs“ – Vertreter der Umweltverbände verlassen vereinbarte Verhandlungsgrundlage
Potsdam, 16.12.2022 – „Schade, die Insekten hätten eine bessere Behandlung verdient.“ – so eine enttäuschte Dr. Sabine Buder, Tierärztin und Geschäftsführerin des Forum Natur Brandenburg e.V. (FNB), gleichzeitig eine der Hauptakteurinnen im „moderierten Diskussionsprozess“ unter Beteiligung der Landtagsfraktionen von SPD, CDU und der BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN sowie der Umweltverbände.
Der als „Insektendialog“ bezeichnete Diskussionsprozess war trotz erheblicher (und immer noch nicht vom Landesverfassungsgericht entschiedener) Zweifel an der Gültigkeit der 2020 von den Umweltverbänden initiierten
Volksinitiative zum Insektenschutz angeschoben worden. Die Landnutzer, deren eigene Volksinitiative zum Schutz der Insekten („Mehr als ein Summen“) zu diesem Zeitpunkt längst erfolgreich abgeschlossen war, wollten Entgegenkommen zeigen und den vielen eingesammelten Stimmen der wahrscheinlich ungültigen Volksinitiative der Umweltverbände dennoch Gewicht verleihen. Nur deshalb saßen die Vertreter der Umweltverbände mit am Verhandlungstisch, den sie gestern verlassen haben.
Mit der Umsetzung aller von den Umweltverbänden aufgestellten Forderungen wären Ertragsausfälle in der Größenordnung von jährlich 40 Mio. € verbunden gewesen. Dem stand das Angebot von jeweils 3 Mio. € Ausgleichzahlungen für die nächsten beiden Jahre seitens des Landes gegenüber. Ein vernünftiger Kompromiss sieht anders aus. Aber auch mit 6 Mio. € könnte man bereits viel erreichen.
Dr. Sabine Buder: „Statt den Verhandlungserfolg zu würdigen und den Dialogprozess fortzusetzen, erklären die Umweltverbände den Insektendialog nun als gescheitert. Sie verhalten sich dabei so ähnlich wie mein jüngstes Kind beim Einkauf im Spielzeugladen. Es lädt sich ebenfalls gerne schöne Sachen in den Warenkorb und verzweifelt dann an der Kasse, weil das Taschengeld nicht reicht. Anders als bei manchen Verbandsvertretern bin ich bei meinem Kind guter Hoffnung, dass es Frustrationstoleranz noch lernen wird.“
Henrik Wendorff, Präsident Landesbauernverband Brandenburg e.V. zeigt sich irritiert und enttäuscht: „Wir haben ein weitreichendes Angebot gemacht. Jeder, dem ernsthaft am Insektenschutz gelegen ist, wäre darauf eingegangen: ein Insektenschutzgesetz, das unter anderem das Verbot von Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Stickstoffdünger in Naturschutzgebieten auf immerhin 65.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche enthalten hätte. Wir können absolut nicht verstehen, warum dieser Vorschlag von den Umweltverbänden abgelehnt wurde. Dass gerade sie jetzt den Dialogprozess einseitig aufkündigen, macht fassungslos und lässt an der Aufrichtigkeit der geäußerten Anliegen in Bezug auf mehr Artenvielfalt und Biodiversität zweifeln. Wir hoffen, dass ein Scheitern der Verhandlungen noch abgewendet werden kann. Aber unabhängig vom Ausgang des Insektendialogs werden wir unseren Weg zwischen Erhalt unserer Natur und Lebensmittelerzeugung unbeirrt fortsetzen.“
Buder ergänzt: „Wer Maximalforderungen durchsetzen will, muss erklären, wie er den Ausfall der Lebensmittelproduktion wirtschaftlich kompensieren möchte. Daran fehlt es. Hinter den landwirtschaftlichen Betrieben stehen Menschen stehen, deren Grund und Boden unsere Lebensgrundlage bildet. Nur mit den Landwirten ist die Vielfalt der Arten und Biotope in der Agrarlandschaft zu erhalten – und bleiben Lebensmittel für uns alle bezahlbar.“
21 Mai, 2021 | Artikel
Am 20. Mai 2021 fand im Brandenburger Landtag die erste Lesung eines Gesetzentwurfes für die Stärkung von Insektenschutz und Artenvielfalt statt. Der Gesetzentwurf wurde von den drei Landtagsabgeordneten Isabell Hiekel (Bündnis 90 / Die Grünen), Johannes Funke (SPD) und Ingo Senftleben (CDU) eingebracht. Das Gesetz sieht vor, dass in Naturschutzgebieten ab 2028 sowohl chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, als auch mineralische Stickstoffdünger verboten sind. Zusätzlich soll es Änderungen im Naturschutzausführungsgesetz, im Wassergesetz und im Grundstücksverwertungsgesetz geben.
Der Gesetzesentwurf geht auf die beiden Volksinitiativen „Mehr als nur ein Summen – Insekten schützen, Kulturlandschaft bewahren“ und „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ zurück. Die Abgeordneten aller Parteien haben erkannt, dass dieses Thema den Menschen wirklich wichtig ist. Immerhin haben über 100.000 Brandenburger Bürgerinnen und Bürger diese Volksinitiativen unterzeichnet. Die Abgeordnete Isabell Hiekel nannte dies ein starkes Zeichen. Beide Volksinitiativen wurden im Umweltausschuss angehört und konnten ihre Vorschläge ausführen. Dann gab es ein echtes Novum im Brandenburger Landtag: Es wurde zum ersten Mal ein extern moderierter Diskussionsprozess zwischen den erfolgreichen Volksinitiativen ins Leben gerufen. Im sogenannten „Insektendialog“ fand ein neun Monate andauernder Diskussions- und Verhandlungsprozess statt, in den auch Abgeordnete der im Landtag vertretenen Fraktionen beteiligt waren. Im Ergebnis konnte ein gemeinsamer Gesetzentwurf und zwölf Entschließungsanträge vereinbart werden. Diese wurden von allen Beteiligten unterzeichnet und am 10. März 2021 der Landtagspräsidentin übergeben.
Der Abgeordnete Thomas Domres ( Linke) bemängelt in seinem Redebeitrag, dass der Gesetzentwurf nicht von der Koalition, sondern nur von drei Abgeordneten eingebracht wurde: „Geringer kann man das Ergebnis des Insektendialogs nicht schätzen.“ Der Abgeordnete Johannes Funke (SPD) wies auf einen fundamentalen Umbau der Agrarförderung zugunsten einer naturschutzfachlichen Aufwertung durch das erneuerte Gesetz hin. Der Abgeordnete Ingo Senftleben (CDU) schließt seinen Redebeitrag mit dem Wunsch: „Es wäre schön, wenn der Geist der Moderation des Dialogverfahrens zwischen den Volksinitiativen auch Einzug hält jetzt bei der Debatte hier im Parlament!“. Die Abgeordnete Christine Wernicke (BVB/Freie Wähler) erinnert daran, dass alle bisherigen Maßnahmen zum Insektenschutz zu Lasten der Landwirte gingen. Sie fordert: „Es müssen Ausgleichszahlungen kalkuliert und Förderprogramme aufgelegt werden!“ Der Abgeordnete Steeven Bretz (CDU) machte deutlich, dass der in einen Ausschuss überwiesene Gesetzentwurf nicht an Verfahrensfragen scheitern soll. Minister Axel Vogel (Bündnis 90 / Die Grünen), sieht keinen Grund für ein Scheitern. Der Bund arbeite auch gerade an einem neuen Naturschutzgesetz.
Eine Mehrheit der Abgeordneten verweis schließlich das Artikelgesetz zur Beratung in den zuständigen Ausschuss. Dort wurde der Termin für die Anhörung zwischenzeitlich auf den 11. August 2021 terminiert. Bei diesem Termin werden 12 Beteiligte angehört, darunter zwei Vertreter der Volksinitiativen und der kommunalen Spitzenverbände. Auch aus den Fraktionen werden weitere Vorschläge für Anzuhörende erwartet. In der Anhörung werden nicht nur der Gesetzentwurf, sondern auch der Antrag und die Finanzfrage erörtert. Auch die Ausschüsse für Inneres und Finanzen werden von dem federführenden Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz eingeladen. Das Begleitgremium soll aus vier Vertretern der Volksinitiativen, drei Abgeordneten der Koalition und einem Vertreter des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, wahrscheinlich Staatssekretär Bender, bestehen. Es ist noch offen, wer die Moderation für dieses Gremium übernehmen soll.
Unsere drei Vertreter in der Volksinitiative, Henrik Wendorff, Dr. Dirk-Henner Wellershoff und Gregor Beyer bewerten das jetzt vorliegende Ergebnis mit „Licht und Schatten“. Man hätte sich gewünscht, dass das Artikelgesetz, die Entschließungsanträge und die Finanzfrage in einem Paket in den zuständigen Ausschuss überwiesen wird. Gleichsam sind nunmehr allerdings auch die Voraussetzung geschaffen, um den Insektenschutz in Brandenburg – wie zwischen den drei Partnergruppen vereinbart – auf ein neues Fundament zu stellen. Die Anhörung im zuständigen Ausschuss wird nun die nächste Gelegenheit bieten, das Themenfeld nochmals aus den unterschiedlichen Perspektiven zu bewerten.
8 Jan, 2020 | Artikel
Wendorff: „Wir wollen eine gemeinsame Lösung, die trägt und die von den Landnutzern realistisch umgesetzt werden kann; mit Maximalforderungen ist nichts zu erreichen!“
Wellershoff: „Mit zivilgesellschaftlichem Engagement sind im letzten Jahr über 200 Blühflächen auf über 300 Hektar möglich geworden; hier an gilt es anzuknüpfen!“
Weber: „Der Dialog zwischen der Legislative, der Exekutive, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft ist notwendig; die Politik steht in der Pflicht, diesen in Ganz zu bringen!“
Anlässlich der heutigen Anhörung der Volksinitiative „Mehr als nur ein Summen – Insekten schützen, Kulturlandschaft bewahren“ im Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz haben sich verschiedene Vertreter der Initiativenverbände mit vielfältigen Vorschlägen für den zukünftigen Insektenschutz positioniert. Thomas Weber, Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes, machte in seinem Eingangsstatement deutlich, dass die Volksinitiative die Stimme der Betroffenen sei, die Insektenschutz auf ganzer Fläche umsetzen könnten. Dies könne jedoch nur in einem konsequenten Dialog zwischen der Legislative, der Exekutive, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft gelingen. Er betonten in seinen Ausführungen, dass das Insektensterben zwischenzeitlich auch die Wälder erreicht hat. Neben den verschiedenen Maßnahmen der Forstwirtschaft müsse es aber auch darum gehen, dass jeder einzelne in die Bemühung um den Insektenschutz einbezogen wird.
Der Präsident des Landesjagdverbandes, Dr. Dirk-Henner Wellershoff, machte in seinen Ausführungen deutlich, dass die Jägerin und Jäger des Landes im Bemühen um den Schutz der Lebensräume von Insekten bereits vielfache Leistungen erbringen. Er mahnte diesbezüglich an, dass die Gesellschaft viel stärker auf dieses Potenzial zurückgreifen müsse und rief insbesondere dazu auf, dass das Thema Wildbrücken fokussiert und auch im Kontext der Insekten gesehen werden müsse. Er verwies in seinen Ausführungen auf das Blühflächenportal des Landesjagdverband, welches allein für das vergangene Jahr über 200 Blühflächen dokumentiert, die auf über 300 Hektar durch die Initiative verschiedener Landnutzer möglich geworden sind.
Der Präsident des Landesbauernverbandes, Henrik Wendorff, unterbreitete der Politik ein umfangreiches Angebot zur verstärkten Anstrengung beim Insektenschutz. So forderte er eine Koordinierungsstelle für die Insektenforschung und die unverzügliche Einrichtung eines Kulturlandschaftsbeirates. Er betonte in seinen Ausführungen, dass es dem Ausschuss gelingen müsse, einen von beiden Initiativen gemeinsam mitgetragenen Beschlussantrag zu bearbeiten. Er machte ausdrücklich deutlich, dass die Landnutzerverbände im Kontext der vermutlich in Kürze eingereichten zweiten Volksinitiative der Umweltverbände, zu einer verbindlichen Erklärung auf Fristverzicht für die Beratungen des Landtages bereit sein. Er regte in diesem Kontext an, dass der Ausschuss auf Basis der Geschäftsordnung des Landtages einen Unterausschuss einsetzen solle, der beide Initiativen an einen Tisch holt und damit eine gemeinsame Lösung möglich macht.
19 Nov, 2019 | Presseinfo
Kulturlandschaftsschutz geht nur im
Dialog – nun ist das Parlament am Zug!
Müller: „Die Landnutzer setzen heute
erneut ein deutliches Signal! Wir brauchen wahrlich keine Nachhilfe im
Insektenschutz – wir reichen den Umweltverbänden aber die Hand zum Dialog!“
Wendorff: „Mein Dank gilt allen, die
sich beteiligt haben! Ohne Verkleidung in Bienenkostümen und ohne öffentliche
Showeinlagen zum Ziel – und jederzeit bereit auch den nächsten Schritt zu
gehen!“
Die
Trägerverbände der Volksinitiative „Mehr als nur ein Summen“ haben heute die
gesammelten Unterschriften bei der Präsidentin des brandenburgischen Landtages
eingereicht. „Wir haben unser Ziel erreicht“, freut sich Henrik Wendorff,
Präsident des Landesbauernverbandes und Vorstand im Forum Natur. „Im Wesentlichen haben wir bei denjenigen um
Zustimmung geworben, die Maßnahmen zum Insektenschutz auch tatsächlich umsetzen
können, den Landnutzern. Im Bienenkostüm durch die Brandenburger
Einkaufspassagen zu summen und Lippenbekenntnisse der Passanten zu sammeln,
darauf haben wir bewusst verzichtet. Nun liegt unser Angebot auf dem Tisch:
Insektenschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in Kooperation mit den
Landnutzern.“ Man habe daher mit
Erreichen von rund 24.000 Unterschriften die Mitgliedsorganisationen
informiert, nunmehr keine weiteren Unterschriften abzurufen. „Wir freuen uns nun
auf das parlamentarische Verfahren“, so der Sprecher der Initiative.
„Wir
haben heute zudem den Umweltverbänden der Volksinitiative „Artenvielfalt retten
– Zukunft sichern“ die Unterschriftenlisten ihrer Initiative zugesandt, die in
unserem Kampagnenbüro eingegangen waren“, so Rüdiger Müller, Vorstand in den
Familienbetrieben Land und Forst und im Forum Natur. Dieses Gebot der Fairness
habe man mit dem Wunsch verbunden, dass die voraussichtlich beiden
Volksinitiativen im parlamentarischen Verfahren zumindest zeitlich parallel
behandelt werden. „Wir waren die ersten, die eine Volksinitiative zum
Insektenschutz gestartet haben und brauchen wahrlich keine Nachhilfe von den
Umweltverbänden“, so Müller. „Wir wollen aber einen Dialog und laden die
Umweltverbände dazu erneut ein!“
Beide
Vorstände betonten, dass man den Zeitpunkt am Tag vor der voraussichtlichen
Regierungsbildung bewusst gewählt habe. „Mit dem morgigen Tag werden Parlament
und Landesregierung vollständig arbeitsfähig sein. „Wir möchten im politischen
Raum bewusst ein Zeichen setzen, dass das Thema Insektenschutz vom ersten Tag
an im Fokus von Parlaments- und Regierungshandeln stehen muss“, so die
Einreicher. Mit zwei Volksinitiativen zum gleichen Thema werde Brandenburg
Neuland betreten und sollte Motor im zukünftigen dialogorientierten Kulturlandschaftsschutz
werden.