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Fischsterben an der Oder

Fischsterben an der Oder

Bilder von tausenden toten Fischen in der Oder erschüttern seit Tagen die Bevölkerung weit über die Grenzen der betroffenen Landkreise hinweg.

Sabine Buder, Geschäftsführerin vom Forum Natur Brandenburg e.V. hat sich gestern in Märkisch-Oderland ein eigenes Bild der Lage gemacht und den Austausch mit Betroffenen vor Ort gesucht. „Der Anblick der unzähligen Kadaver verbunden mit dem starken Verwesungsgeruch sind eine Zumutung für die Menschen, die nahe der Oder leben. Aber noch schlimmer ist, dass die genaue Ursache nach wie vor nicht bekannt ist und daher auch das Ausmaß und die Folgen der Umweltkatastrophe derzeit nicht absehbar sind.“

Es macht sie fassungslos, dass auch sechs Tage nach Auffinden der ersten verendeten Fische auf deutscher Seite keine belastbaren Untersuchungsergebnisse von Wasser- und Tierkörperproben vorliegen. „Sollte das Brandenburger Landeslabor an Kapazitätsgrenzen stoßen, müssen externe akkreditierte Labore in die Untersuchungen miteinbezogen werden. Die Schaffung einer validen Datengrundlage hat oberste Priorität.“
Dazu gehöre laut Buder, auch die zentrale Erfassung der entsorgten Tiere, einschließlich der Wirbeltiere. „Es herrscht aktuell noch Unklarheit darüber, inwiefern auch Wasservögel und Säugetiere betroffen sind. Umso wichtiger sei es, dass jeder aufgefundene Wirbeltierkörper untersucht wird.“

Außerdem fordert die Geschäftsführerin vom Forum Natur Brandenburg e.V. die Einbeziehung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg in die Bewältigung der Krise. „Neben dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz sollte auch das MSGIV seinen Beitrag leisten, um die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Anwohnern und Touristen durch direkten Kontakt mit Oderwasser, Tierkadavern und Aerosolen, aber auch bezüglich der Trinkwasserversorgung der Betriebe und privaten Haushalte im Odergebiet einzuschätzen und zu minimieren.“

Trotz der Unsicherheiten in Bezug auf die Risiken für die menschliche Gesundheit, berichtet Andreas Koppetzki, Geschäftsführer vom Landesanglerverband Brandenburg e.V. von einer großen Bereitschaft der organisierten Anglerschaft, mitanzupacken. Es gilt schnellstmöglich, die verendeten Fische zu entsorgen, um mögliche Vergiftungen anderer Tierarten einzudämmen.

„Angler lieben die Natur, pflegen Gewässer, hegen Fischbestände und helfen auch jetzt ganz selbstverständlich mit, wenn Not am Mann ist.“, so Koppetzki. In Anbetracht der ungeklärten Risikolage seien seiner Ansicht nach dafür koordierte Aktionen erforderlich, bei denen ausreichend Schutzkleidung für die Helfer bereitgestellt und die fachgerechte Entsorgung der Kadaver gewährleistet wird. „Das ehrenamtliche Engagement der Angler und der vielen anderen freiwilligen Helfer, darf nicht zu einem Risiko für ihre Gesundheit werden.“

Michael Stolz, Vorsitzender vom Angelverein Karausche e.V., war gestern gemeinsam mit rund 300 anderen Freiwilligen in Märkisch-Oderland am Ufer der Oder unterwegs, um tote Fische einzusammeln. Er lobt das große Engagement der Einsatzkräfte und Mitarbeiter der Kreisverwaltung, aber auch das der vielen hochmotivierten Freiwilligen. Dass bei der gestrigen Fischsammelaktion in Märkisch-Oderland rund 30 Tonnen gesammelte Fischkadaver zusammengekommen sind, zeigt, dass bei aller Mühsal die Zusammenarbeit von Landkreis, Anglern, Fischern und anderen Freiwilligen erfolgreich war. Er beklagt allerdings die mangelnde Unterstützung durch die Landes- und Bundesebene. „Es ärgert mich, dass die Lösung der Probleme auf die Landkreise und die Ehrenamtlichen abgewälzt wird und sich Land und Bund aus der Verantwortung ziehen.“

Fischsterben Oder

Neben dem entstandenen Schaden für die Tier- und Pflanzenwelt im Odergebiet sind auch die Fischereibetriebe, Weidetierhalter und die Tourismusbranche von teils existenzbedrohenden Einbußen bedroht.

Auch wenn aktuell vielerorts noch kein Fang- und Vermarktungsverbot verhängt, sondern lediglich Empfehlungen ausgesprochen wurden, haben die hiesigen Betriebe den Fischfang in der Oder eingestellt und vermarkten nun ausschließlich Fisch aus anderen Gewässern. Der dadurch entstandene wirtschaftliche Schaden ist allerdings nur eine Herausforderung, welche die Fischereibetriebe bewältigen müssen. Andre Schneider, Berufsfischer aus Kuhbrücke (Märkisch-Oderland): „Neben dem Verdienstausfall durch den Fischfang in der Oder, machen mir die vielen Absagen für Übernachtungen in unseren Ferienunterkünften und der voraussichtlich ausbleibende Absatz von Angelkarten große Sorgen. Ohne einen Ausgleich, kommen wir in ernsthafte betriebliche Schwierigkeiten.“

Sobald die akuten Probleme gelöst sind, muss die Kompensation der langfristigen ökonomischen Schäden der Landnutzer thematisiert werden. Daher fordert Buder: „Der Verursacher der Wasserverschmutzung muss schnellstmöglich ausfindig gemacht werden, auch um Schadensersatzforderungen seitens der Fischereibetriebe stellen zu können. Außerdem brauchen wir dringend Rechtssicherheit für die Fischer und Angler sowie Unterstützung der regionalen Fischereiwirtschaft durch die Landes- und Bundesebene, um die Existenz der Oderfischer zu sichern. Die Betriebe dürfen mit den Folgen der Umweltkatastrophe nicht allein gelassen werden.“

Sabine Buder begrüßt, dass inzwischen auch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz die Oderregion besucht hat. Allerdings darf es nicht bei Gesprächsabsichtserklärungen bleiben. „Die Oder ist ein Bundesgewässer mit europäischer Bedeutung, daher kann sich der Bund nicht aus der Verantwortung ziehen. Eigentlich wäre das Wasser- und Schifffahrtsamt für das Einsammeln und Entsorgen der Tierkadaver zuständig, da es als Eigentümer der Bundeswasserstraße unterhaltspflichtig ist. Dass das Warn- und Meldesystem versagt hat und auch die deutsch-polnische Zusammenarbeit dringend auf den Prüfstand muss, dürfte nach den letzten Tagen wohl außer Zweifel stehen.“ Buder vergleicht das Agieren der Verantwortlichen mit der ASP-Bekämpfung: „Leider ist ein koordiniertes Vorgehen bisher nicht erkennbar. Die gesetzten Maßnahmen sind zu dezentral, zu halbherzig und kommen viel zu spät. Wie viele Katastrophen müssen wir erleben, bis ein Lerneffekt eintritt?“

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