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Anhörung Wolf zur Änderung des BNatSchG

Anhörung Wolf zur Änderung des BNatSchG

Am 09.12.2019 hat der Umweltauschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zu den Vorlagen „Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ durchgeführt. Der Geschäftsführer des Forum Natur Brandenburg, war anlässlich der Befassung als anzuhörender Sachverständiger geladen. Es hat dabei deutlich gemacht, dass das Gesetzesvorhaben in seiner bislang geplanten Umsetzung droht ein „Wolfsakzeptanzverlustbeschleunigungsgesetz (WAVBG)“ zu werden.

Eingangsatement von Gregor Beyer zur Änderung des BNatschG

Die gesamte Anhörung mit den dazugehörigen Dokumenten findet sich auf den Seiten des Ausschusses Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Deutschen Bundestages. Im Verlauf der Änhörung hat die Frage nach der Höhe des deutschen Wolfsbestandes eine zentrale Rolle eingenommen. Hierzu hat Gregor Beyer ausführlich die gegenwärtige Situation dargelegt und dabei auf das Bundesamt für Naturschutz (BfN) erwiedert.

Der aktuelle nationale Wolfsbestand und dessen Schäden wird von Gregor Beyer eingeschätzt

Die verschriftlichte Stellungnahme des Forum Natur Brandenburg lautet wie folgt:

Die von dem Wiedererstarken der deutschen Wolfsbestände betroffenen Landnutzer begrüßen es unumwunden, dass sich der Deutsche Bundestag der dringend notwendigen Gesetzesänderung stellt, die insgesamt durch die Entwicklung der europäischen Wolfspopulation notwendig wird und deren Bedarf für ein „aktives Bestandsmanagement“ immer deutlicher zutage tritt. Wir begrüßen in diesem Kontext ebenso ausdrücklich, dass die Hauptzielsetzung für ihr Gesetzesvorhaben darin liegt, „die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu erhöhen“. Dass es diesbezüglich einen grundsätzlichen Bedarf gibt, ist über die verschiedenen verbandspolitischen Positionierungen hinweg in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile unumstritten.

Gleichwohl stellt sich im Rahmen Ihrer Zielsetzung die für die Betroffenen geradezu essenzielle Frage, ob die Art und Weise ihrer gesetzesseitigen Umsetzung geeignet ist, diesem Ziel zu entsprechen. Gleichwohl muss die Frage erörtert werden, inwieweit Ihr Vorhaben insgesamt mit der sich gegenwärtig abzeichnenden Lage zur Betroffenheit der Landnutzung in der deutschen Kulturlandschaft geeignet ist, die bestehenden Konflikte mindestens zu minimieren und die Akzeptanz für die weiterhin ungebrochene Ausbreitung der Wölfe in Deutschland zu erhalten.
Eingedenk dieser Vorbemerkung möchten wir die folgende Stellungnahme auf diese beiden Punkte konzentrieren.

I. Möglichkeit der Schaffung von Rechtsicherheit

Das Bundesnaturschutzgesetz fordert vor der letalen Entnahme einzel-ner Wolfsindividuen bislang den Nachweis des Entstehens „erheblicher land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher Schäden“. Sie beabsichtigen diese Schadensdefinition abzustufen, indem Sie den Begriff der erheblichen Schäden in sogenannte ernsthafte Schäden umdefinieren wollen. Grundsätzlich ist diese Herangehensweise zu begrüßen, da die gegenwärtig gültige Rechtsprechung den bislang gültigen Begriff der erheblichen Schäden in einer Art und Weise auslegt, die faktisch den wirtschaftlichen Ruin eines betroffenen Unternehmens voraussetzt, bevor die Verwaltung die Entnahme einzelner Tiere bescheiden kann.

Dabei unterlassen Sie es jedoch in Ihrem Gesetzesvorhaben vollständig, den neuen Rechtsbegriff auch nur ansatzweise näher zu definieren. Weder beabsichtigen Sie, in das Gesetz eine „Positiv- bzw. Negativliste“ einzuführen, noch geben Sie ergänzende Hinweise im Gesetzestext, die die spätere Auslegung Ihres gesetzgeberischen Willens für die rechtlich wie praktisch Betroffenen möglich macht. Es ist daher davon auszugehen, dass die spätere Anwendung der Definition „ernsthafte Schäden“ die gleichen jahrelang betriebenen rechtlichen Auseinandersetzungen nach sich ziehen wird, die in den vergangenen Jahren bereits im Rahmen der Auslegung des Begriffes „erheblicher Schäden“ zu beobachten war. Wir weisen diesbezüglich insbesondere auf die erfolgten Auseinandersetzungen zwischen dem Landkreis Märkisch-Oderland (Bundesland Brandenburg) und den dort aktiven Umwelt NGOs bezüglich der Entnahme von Bibern hin. Im Lichte dieser Auseinandersetzung erweist sich Ihr Gesetzesvorhaben als zutiefst kontraproduktiv, da die zwischenzeitlich eingetretene, wenn auch un-genügende Rechtssicherheit bezüglich der Auslegung von „erheblichen Schäden“ im Zuge Ihres Gesetzesvorhabens von erneuten jahrelangen Auseinandersetzungen bezüglich des dann neuen Begriffes abgelöst werden wird.

Hingewiesen sei in diesem Kontext auch darauf, dass die Einschätzung der Bundesregierung zum „Erfüllungsaufwand“ Ihres Gesetzesentwurfes in allen drei Punkten nicht zutreffend ist. Sowohl für betroffenen Bürgerinnen und Bürger, gleichfalls wie von den Wölfen betroffene Wirtschaftsunternehmen (insb. Agrarunternehmen mit Weidetierhaltung), als auch für die betroffene Verwaltung wird im Zuge der Schaffung von Rechtssicherheit bezüglich der Auslegung des neuen Rechtsbegriffs erheblicher Aufwand entstehen, der sich nach allen vorangegangenen Erfahrungen über mehrere Jahre und über mehrere Instanzen der Rechtsprechung hinziehen wird. Gleiches gilt selbstverständlich für die Darlegung zu den nicht zu erwartenden weiteren Kosten. Selbstverständlich ist das durch das zu erwartende Beklagen der neuen Gesetzeslage bzw. der darauf fußenden Verwaltungsentscheidungen mit erheblichen Aufwendungen zu rechnen.

Ihr Vorhaben ist daher nicht geeignet, zur Rechtssicherheit beizutragen, sondern wird vielmehr eine erneute Phase akzeptanzminimierender Rechtsunsicherheit begründen.

Ferner beabsichtigen Sie zukünftig einen Eingriff bei Schäden an Nutztieren auch dann möglich zu machen, wenn das entstandene Schadensbild nicht zweifelsfrei und eindeutig einem verursachenden Wolfsindividuum zugeordnet werden kann. Sie schaffen damit in Bezug auf die teilweise bestehenden Regelungen in den Wolfverordnungen der Länder ein Stück weit Rechtssicherheit und bestätigen bundesgesetzlich die beispielsweise im Bundesland Brandenburg durch die Wolfsverordnung bereits heute bestehende Rechtssituation.

Zusätzlich beabsichtigen Sie eine Klarstellung bezüglich der Bestimmung für geeignete Personen, die eine Entnahme von Wölfen nach Erteilung einer Ausnahme durchführen sollen. Auch diese Neuregelung wird im Grundsatz begrüßt. Allerdings zeigen insbesondere aktuell vorliegende Erfahrungen (siehe hier aktuell insbesondere Bundesland Schleswig-Holstein), dass eine Entnahme von entsprechenden Wolfsindividuen nur auf dem Wege eines großflächigen Ansatzes durch die Jagdausübungsberechtigten innerhalb des deutschen Reviersystems realistisch ist. Es erweist sich daher als ungenügend, dass Sie in Ihrem Gesetzesvorhaben lediglich auf eine Einbeziehung der Jagdausübungsberechtigten „nach Möglichkeit“ abstellen wollen.

Dies entspricht auch nicht den bereits heute gültigen Regelungen, wie sie beispielsweise das Bundesland Brandenburg getroffen hat. Es ist daher eine Regelung anzuraten, bei der die Jagdausübungsberechtigten grundsätzlich als „Erstzugriffsberechtigte“ zu benennen sind, während die Realisierung der Entnahme durch anderweitige Personen nur dann infrage kommen darf, wenn einzelne oder mehrere Jagdausübungsberechtigten ihre Bereitschaft für den Vollzug verweigern. Diesbezüglich wäre es deutlich anzuraten, dass die für die Entnahme notwendigen Jagdausübungsberechtigten für diese zukünftigen Aufgaben entsprechend qualifiziert werden und ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wird, indem die notwendige Entnahme auf Basis klarer und nachvollziehbarer Regelungen in einem zweifelsfrei bestehenden „Zustand von Rechtssicherheit“ erfolgen kann.

II. Kompatibilität des Vorhabens zur aktuellen „Wolfssituation“

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen muss die Frage gestellt werden, inwieweit der von Ihnen beabsichtigte Regelungsbedarf der Lebenswirklichkeit Betroffener und der aktuellen Wolfsituation gerecht wird. Um den gegenwärtigen Zustand des „nationalen Wolfsbestandes“ und dessen Auswirkungen zu beurteilen, bieten sich insbesondere die Bestandszahlen und die aus diesen entstehenden Schäden an Nutztieren an.
Bezüglich der Bestandszahlen der in der Bundesrepublik beheimateten Wölfe ist nicht nur deren Höhe von Interesse, sondern vor allem auch die Art und Weise, wie diese Bestandszahlen mit welchen Bezugszeitpunkten publiziert und wahrgenommen werden. So hatte beispielsweise das Bundesamt für Naturschutz im nationalen Bericht nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie mit Beginn dieses Jahres 166 Wölfe als nationalen Bestand (kontinentale und atlantische Region) an die EU gemeldet. Dieser Umstand hat in den vergangenen Wochen für erhebliche Debatten und Irritationen gesorgt. Ursächlich dafür war der Umstand, dass diese Meldung lediglich den Wolfbestand in Deutschland mit Bezug zum Monitoringjahr 2015/16 wiedergegeben hat. Diese in der zeitlichen Abfolge der FFH-Berichte erklärbaren Bestandszahlen widersprechen jedoch diametral dem gegenwärtigen deutschen Wolfsbestand, mit dem sich die Betroffenen konfrontiert sehen.

Auch die in der vergangenen Woche durch das Bundesamt für Naturschutz gemeldeten sogenannten aktuellen Bestandszahlen sind zum Zeitpunkt ihrer Meldung bereits überholt. Rechnet man diese Zahlen (105 Rudel, 25 Wolfspaare und 13 Einzelindividuen) nach den wissenschaftlich anerkannten Kenngrößen (ein Rudel entspricht acht Individuen) auf Einzelindividuen um, so würde dies einer Anzahl von 878 Wölfen in Deutschland entsprechen. Allerdings ist hierbei zu berück-sichtigen, dass es sich dabei um den Frühjahrsbestand dieses Jahres handelt, also ohne den längst vorhandenen Nachwuchs. Ermittelt man diesen mit der ebenfalls wissenschaftlich anerkannten Zuwachsrate von 35-36 %, so leben offiziell gegenwärtig etwas über 1.190 Wölfe in Deutschland.

Will man sich diesbezüglich mit dem Handlungsbedarf für politische Entscheidungen auseinandersetzen, so muss man diese aktuelle Bestandszahl in einer mathematischen Simulation für die kommenden Jahre betrachten. Dies bedeutet, dass bereits im Spätjahr 2021 von deutlich über 2.200 Wölfen auszugehen ist, im Spätjahr 2024 die 5.000 Grenze deutlich überschritten sein wird und in etwa zehn Jahren von rund 25.000 Wölfen ausgegangen werden kann. Da für die deutsche Kulturlandschaft keine Kapazitätsgrenze erkennbar ist, die diesen alljährlichen Zuwachs in naher Zukunft begrenzen könnte, muss eine zehnjährige Betrachtungsreihe mit ungebrochenem Zuwachs als durchaus realistisch betrachtet werden.

Simualtion des Wolfsbestandes von 2019 bis 2020
Abb.: Simulation des nationales Wolfsbestandes auf Basis der gegenwärtigen Bestandsentwicklung. Unbekannt ist die Kapazitätsgrenze des Lebensraumes bei ungehinderter Entwicklung.

Diese Bestandsentwicklung geht einher mit der Schadensituation an Nutztieren. Die aktuellen Zahlen vom Ende der letzten Woche machen mit 2.067 getöteten, verletzten oder vermissten Nutztieren im Jahr 2018 deutlich, was ein weiteres Anwachsen des Wolfsbestandes mit dem ebenso exponentiell Anwachsen der Schäden an Nutztieren für die Betroffenen zukünftig bedeuten wird.

Bezüglich dieser Darlegung muss man sich vergegenwärtigen, dass sich die Entwicklung des Wolfsbestandes in den verschiedenen deutschen Bundesländern völlig unterschiedlich darstellt. So mag die durch den Deutschen Bundestag angedachte Neuregelungen im Bundesnaturschutzgesetz durchaus geeignet sein, um in jenen Bundesländern Wirkung zu entfalten, die erst am Anfang der Wiederbesiedlung mit Wöl-fen stehen. Insbesondere in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und auch Niedersachsen gestaltet sich die Situation allerdings gänzlich anders. Hier ist längst eine Grenze in der Bestandsermittlung erreicht, die die dringende Notwendigkeit begründet, die Weichen für ein zukünftiges „aktives Bestandsmanagement“ der Wölfe in Deutschland zu stellen. Mindestens in diesen betroffenen Bundesländern erweisen sich die jetzigen Regelungsvorschläge im BNatSchG daher als deutlich verspätet und werden keinen Beitrag zur Akzeptanzsicherung für den Wolf in Deutschland leisten.

Wolfsituation in den Bundeländern
Abb.: Der nationale Wolfsbestand gestaltet sich gegenwärtig in den Bundesländern deutlich unterschiedlich. Es bedarf daher eines bundesgesetzlichen Rahmens, der den Ländern weitgehende Handlungsfreiheit für angepasste Landeslösungen lässt.

III. Zusammenfassung

Das durch die Bundesregierung eingebrachte und im parlamentarischen Raum diskutierte Vorhaben von gesetzlichen Neuregelungen im Rahmen des Umgangs mit Wölfen geht in einigen Punkten in die richtige Richtung. Gleichwohl wird das Vorhaben nicht seinem Anspruch gerecht, die gegenwärtig unbefriedigende Rechtslage einer umfassenden Verbesserung zuzuführen. Als besonders problematisch erweist es sich, dass die angedachten Neuregelungen, insbesondere in den vom Wiedererstarken des Wolfsbestandes besonders betroffenen Bundesländern, nicht mit der realen Wolfssituation korrespondieren. Den politisch Verantwortlichen verbleibt gegenwärtig nur noch ein geringer Zeithorizont, um jene politischen Entscheidungen zu treffen, die für ein Land mit flächendeckender Besiedlung von Wölfen essenziell sind. Die Vorschläge dazu sind umfänglich erarbeitet. Wir verweisen daher auf den „Handlungsvorschlag für ein praxisorientiertes Wolfsmanagement in der Kulturlandschaft Deutschlands“, den wir dieser Stellungnahme in Anlage beifügen.

Bezüglich des vorgelegten Gesetzesentwurfes eines „zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ verweisen wir daher auf den nach unserer Auffassung falschen Namen für dieses Gesetz. Angebracht wäre es, das Gesetzesvorhaben in seiner jetzigen Ausprägung als „Wolfsakzeptanzverlustbeschleunigungsgesetz (WAVBG)“ zu bezeichnen.

Das Vorhaben wird nach unserer Auffassung lediglich dazu beitragen, den gegenwärtig zu beobachtenden rapiden Verlust der Akzeptanz für Wölfe in unserer Kulturlandschaft zu forcieren. Wir appellieren an den politischen Raum, sich den Realitäten bezüglich des Wiedererstarken des nationalen Wolfsbestandes zu stellen und die europarechtlich zulässigen Ausnahmemöglichkeiten des Artikel 16 FFH-Richtline in bundesdeutsches Recht zu überführen. Jede andere Herangehensweise, die hinter diesem Anspruch zurückbleibt, bedeutet ein Versagen in den Bemühungen um die Ermöglichung einer Kulturlandschaft mit Wolf und Weidetieren!

Kleine Vögel, die für große Fragen stehen

Kleine Vögel, die für große Fragen stehen

Gedanken zu Europa oder zur Unabhängigkeitserklärung?

Erstmalig erschienen im „Märkischen Fischer“

MF – Ausgabe 67 | April bis Juni 2019

von Gregor Beyer

Am 26. Mai dieses Jahrs sind die Bürgerinnen und Bürger auch in Deutschland aufgerufen, zum neunten Mal in Form einer Direktwahl die Abgeordneten des europäischen Parlaments zu bestimmen. Eigentlich sollte es für jeden Wahlberechtigten eine Selbstverständlichkeit sein, sich an dieser Wahl zu beteiligen. Denn in der Tat ist zutreffend, worauf in mancherlei Publikationen zu diesem Datum sehr zu Recht hingewiesen wird. Niemals zuvor hat eine staatliche Organisationsform daran mitgewirkt, dass annähernd ein gesamter Kontinent so umfänglich und lange in Frieden existieren konnte. Diese mittlerweile 70-jährige Friedenszeit, die gemessen an den historischen Erfahrungen vergangener Jahrhunderte alles andere als selbstverständlich ist, ist nicht zuletzt auch der staatlich und administrativ organisierten Europäischen Union zu verdanken.

Man mag darüber philosophieren, ob wir diese Friedensperiode mittlerweile nicht als viel zu selbstverständlich hinnehmen. Tatsache ist es aber eben auch, dass die Menschen dieses Europa nicht nur an dieser Friedenszeit messen, sondern vor allem an ihren alltäglichen Erfahrungen mit der Europäischen Union. Hört man in das Land hinein, so fällt immer stärker und überdeutlich auf, dass nicht nur die Landnutzer, aber eben insbesondere auch diese, mit diesem Europa hadern. Ursächlich dafür ist das Empfinden, dass diejenige, die die reichhaltige europäische Kulturlandschaft bewahren bzw. erst geschaffen haben, immer stärker zu Gästen im eigenen Haus werden. Abgesehen von den großen Fragen des Schutzgebietssystems „Natura 2000“, ist es vor allem der Umgang mit einzelnen Arten, die einen immer größeren Einfluss auf die Möglichkeiten der Landnutzung erlangen, und die für diese Skepsis sorgen. Wollte man dies exemplarisch verdeutlichen, so sind die Fischer und Angler des Landes insbesondere von einer Tierart betroffen, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Fischerei, insbesondere der europäischen Binnenfischerei, maßgeblich infrage stellt.

Umso hoffnungsfroher waren die betroffenen Betriebe gestimmt, als das Europäische Parlament am 12. Juli des vergangenen Jahres einen Antrag beschloss, der den für europäische Papiere typisch sperrigen Namen „Entwicklung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Aquakulturbranche“ trägt. Auch wenn der 23-seitige Beschlusstext selbst für interessierte und geneigte Leser nicht ganz einfach zu erfassen ist, zudem über weite Teile einer nicht enden wollenden Aufzählungen gleicht und in einer unendlichen Darlegung von Erwägungen gipfelt, so beinhaltet er doch einige recht erstaunliche und überaus konkrete Festlegungen. Diese gipfeln im Punkt 91 schließlich in einer klaren Aufforderung an die Kommission, „gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen, die die Kormoranbestände mit allen Mitteln drastisch auf ein derartiges Maß reduzieren, das einerseits die Bestandserhaltung der Kormorane gewährleistet und andererseits keine Bedrohung für andere Arten entstehen lässt und Schäden in den betroffenen Aquakulturen abwendet“. Deutlicher kann man einen Parlamentsbeschluss als Auftrag an eine vollziehende Regierung eigentlich nicht fassen! Und dennoch, nach mittlerweile über einem halben Jahr muss man ernüchtert auf die Frage, was denn nun konkret passiert ist, feststellen: Nichts!

Weiterhin werden geschützte Arten in Europa und insbesondere in Deutschland um ihres Schutzes willen geschützt und nicht etwa deshalb, weil sie als gefährdet anzusehen wären. Und unabhängig vom Kormoran trifft diese Feststellung auf eine Reihe von für die Kulturlandschaft bedeutenden Arten zu, wie beispielsweise den Biber oder in der jüngsten Diskussion insbesondere auch den Wolf. Dass Europa mittlerweile einen solch großen Frust auslöst und sich viele Landnutzer fragen, inwieweit eine Beteiligung an einer Europawahl als sinnvoll erscheint, hängt mit dieser vielfach zu beobachtenden Form des organisierten Staatsversagens zusammen. Dass dies so ist, hat viel mit der Art und Weise zu tun, wie wir dieses Europa aufgebaut haben, gleichfalls aber auch mit der Umsetzung des europäischen Rechts in die nationale Gesetzgebung und mit dem Umstand, dass zwischenzeitlich auch im eigenen Land das Verhältnis von Parlament und Verwaltung immer weniger dem Anspruch an eine gelebte Gewaltenteilung genügt. Realistischerweise muss man feststellen, dass genauso, wie das europäische Parlament im eigentlichen Sinne kein Souverän mit direktem Durchgriffsrecht auf die Verwaltung ist, wir es auch in der Bundesrepublik wie in den Ländern zugelassen haben, dass die Parlamente immer stärker entmachtet werden.

Dies führte schlussendlich dazu, dass auf allen Ebenen Bürokraten den Ton angeben, die oftmals jegliche Verbindung zur Realität verloren haben. Jener genannte Beschluss zur europäischen Aquakultur bringt es selbst auf den Punkten, wenn unter Aufzählung 32 auf die „bewährten Verfahren in der Branche und die Beispiele guter Zusammenarbeit auf der Grundlage von freiwilligen Abkommen“ abgehoben wird. Gerade erst versuchen wir zum ersten Mal überhaupt im Land Brandenburg, dass ein FFH-Gebiet auf dem Wege einer freiwilligen Vereinbarung mit betroffenen Eigentümern umgesetzt wird. Man fragt sich, in welchem geistigen Zustand sich ein Parlament befindet und in welchem Europa es eigentlich lebt, wenn es zu einer solchen weltfremden Feststellung kommt. Und alles dies wird noch dadurch verschärft, dass unsere Naturschutzabteilungen der Ministerien oftmals zu reinen Propagandaabteilungen der sogenannten Naturschutzverbände verkommen sind, die mit dem Instrument des Verbandsklagerechts den Staat zum erpressbaren Vollstrecker demokratisch nicht legitimierter Ziele gemacht haben.

Wenn man sich das Europa der heutigen Tage anschaut, so kommt einem gelegentlich die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 in den Sinn. Darin heben die dreizehn Unterzeichnerstaaten auf die vielfachen Missstände einer übergeordneten Willkürherrschaft ab. So schreiben sie, „er (der englische König) hat eine große Zahl neuer Ämter eingerichtet und eine Menge von Beamten gesandt, um unser Volk zu drangsalieren und um von ihm zu leben“. Man kann fast den Eindruck gewinnen, hier schreibt jemand über die heutige EU, während es momentan die Engländer sind, die sich emanzipieren. Und bezeichnenderweise kommt die Unabhängigkeitserklärung schließlich zu dem Schluss, dass „ein Fürst, dessen Charakter durch jene Handlung in solcher Weise gekennzeichnet ist, als Tyrann bezeichnet werden kann und als Herrscher über ein freies Volk ungeeignet ist“. Ja, man kommt nicht ganz umhin, Parallelen zwischen der damaligen Bestrebung nach Unabhängigkeit in einem anderen Teil dieser Welt und der heutigen EU zu sehen, die von vielen Menschen, allen voran im ländlichen Raum, immer mehr als ein Instrument der Willkürherrschaft verstanden wird.

Dennoch, es ist unser Europa und bei Licht betrachtet wird es mehr gebraucht denn je. Man fragt sich, wie wir uns die verlorene Idee von unserem Europa zurückholen. Es war gedacht als ein Europa, das den Frieden in den Regionen garantiert, ohne diese Regionen zu bevormunden. Alfred Andersch lässt seinen zweifelnden Pfarrer Helander in „Sansibar oder der letzte Grund“ feststellen, dass ein Gott, der den Seien nicht beisteht, gezüchtigt werden muss! Vielleicht müssen wir tatsächlich ein stückweit zurück zu diesem alten Schamanenglaube, an die Anfänge, dahin, wo es um den Frieden und nicht um die Interessen ging. Allerdings hatte jener Helander auch sehr zu Recht erkannt, dass das „Reich auf keinen Fall den anderen überlassen werden darf“, jenen, die den Zweifel missbrauchen und den Frieden missachten! Vielleicht müssen wir es tatsächlich ein klein wenig züchtigen, weil wir es lieben – unser altes Europa!

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Märkischer Fischer – Ausgabe 67 | April bis Juni 2019

Gehört der Wolf ins Jagdrecht?

Gehört der Wolf ins Jagdrecht?

Erstmalig erschienen als Leitartikel in der Rheinischen Bauernzeitung

RBZ – Nr. 4 / 26. Januar 2019

von Gregor Beyer

Kaum ein Thema bestimmt die Debatte zwischen Landnutzung und Naturschutz gegenwärtig so sehr, wie die flächendeckende Rückkehr des Wolfes in die deutsche Kulturlandschaft. Dabei ist der Wolf, genau genommen, nur die Versinnbildlichung einer ganzen Reihe von einstmals gefährdeten Tierarten, angefangen vom Biber bis zum Kormoran, die die Frage nach der Art und Weise wie wir mit ihnen – praktisch wie rechtlich – umgehen, neu stellen.

Bezüglich des Wolfes wird diese Beurteilung nicht zuletzt dadurch erschwert, dass sich seine Bestandsentwicklung in den Bundesländern gegenwärtig höchst unterschiedlich vollzieht. Während die Menschen in den östlichen Ländern in der Vergangenheit immer wieder praktisch mit dem Thema konfrontiert waren, ist der Wolf insbesondere in den westlichen Ländern nur noch Gegenstand von Märchen gewesen. So wurden die Wölfe in den neuen Bundesländern noch bis zum 1.4.1992 unter dem bis dahin gültigen Jagdrecht der ehemaligen DDR konsequent gejagt, während beispielsweise die letzte praktische Befassung in Rheinland-Pfalz aus dem vergangenen Jahrhundert stammt, als mehrere dieser Tiere aus einem Wildtiergehege in Rheinböllen ausgebrochen waren. Gleiches gilt für die gegenwärtige Bestandsentwicklung. Während es in Rheinland-Pfalz erste Einzeltiere ohne nachgewiesene Reproduktion gibt, hat sich in Brandenburg bereits ein stabiler Wolfsbestand etabliert, der deutlich über der Gesamtanzahl denjenigen Individuen liegt, die im rund elf Mal größeren Finnland leben. Sicher ist in diesem Kontext auch, dass es durch das Auflassen einer geregelten Bejagung der Wölfe über kurz oder lang zu einer annähernd flächendeckenden Wiederbesiedlung Deutschlands mit einer Tierart kommen wird, die im europäischen Maßstab betrachtet weder gefährdet noch besonders selten ist.

Dabei sind die Erfahrung aus jenen Bundesländern, insbesondere Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen, die mittlerweile annähernd stabile Wolfsbestände aufgebaut haben, überaus eindeutig. Weder trifft das über Jahre verbreitete Märchen zu, wonach Wölfe scheue Tiere seien und man diese annähernd nie zu Gesicht bekäme, noch ist es richtig, dass Wölfe sich bei ihrer Nahrungswahl vor allem auf heimisches Schalenwild und in seltenen Fällen auf Schafe beschränken würden. Solange der Wolf keiner geregelten Bejagung unterzogen wird ist er genau genommen ein Kulturfolger, der den Menschen nicht fürchten muss und seine ideale – weil leicht erreichbare -Nahrungsverfügbarkeit insbesondere in der dicht besiedelten Kulturlandschaft findet. So weisen die Rissstatistiken der Länder mittlerweile eine Betroffenheit von den Schafhaltern, über die Rinderhalter bis hin zu den Pferden auf. Ferner ist der Verlust von Jagd- und Haushunden und auch die zumindest als kritisch einzustufende Begegnung mit den Menschen in den östlichen Bundesländern bei weitem keine Seltenheit mehr.

Alles dies macht mit fortschreitender Entwicklung das konsequente Eingreifen in den Wolfsbestand unumgänglich. Dies fängt mit der bereits heute möglichen Entnahme von Einzeltieren auf Basis der Naturschutzgesetzgebung (insb. § 45 BNatSchG) in Bezug auf sogenannte verhaltensauffällige Wölfe an. Dabei zeigt sich bereits bei der in den „Wolfsbundesländern“ überaus relevanten Frage, wie mit im Straßenverkehr schwerstverletzten Wölfen umzugehen ist, dass die rechtssichere Anwendung eigentlich auch unter Tierschutzgesichtspunkten selbstverständlicher Entscheidungen nur innerhalb einer rechtlichen Grauzone möglich ist. Noch problematischer wird es, wenn die immer drängendere Frage beantwortet werden muss, wie man einen jährlich mit rund 30 % zuwachsenden Wolfsbestand begrenzen kann. Da der Wolf momentan für Deutschland in den Anhang 4 der FFH-Richtline eingestuft ist, scheidet eine reguläre Bejagung innerhalb des deutschen Reviersystems auch formalrechtlich aus. Zudem ist politisch und zeitlich unklar, wann und ob eine einstimmige Mehrheit des Rates auf Vorschlag der EU-Kommission für eine Umstufung zustande kommen wird. Unstrittig ist zumindest in den östlichen Bundesländern, dass der Wolfsbestand eine Höhe erreicht hat, mit der wir an der Schwelle zur Notwendigkeit für ein „aktives Bestandsmanagement“ angekommen sind. Dies umso mehr, als sich zwischenzeitlich die Erkenntnis durchsetzt, dass die dort lebenden Wölfe der „baltisch-osteuropäischen Wolfspopulation“ angehören, die sich mit über 8.000 Individuen im „günstigen Erhaltungszustand“ befindet. Somit ist formalrechtlich die Voraussetzung für ein Vorgehen auch in Deutschland gegeben, das in den skandinavischen Ländern bereits seit vielen Jahren unter dem Begriff der „Schutzjagd“ Anwendung findet. Wie ein solcher Schutzjagdansatz unter Verknüpfung von Naturschutz- und Jagdrecht hierzulande aussehen könnte, hat das „Aktionsbündnis Forum Natur“ erst kürzlich umfangreich im praktischen wie rechtlichen Kontext dargelegt.

Aus allen Erfahrungen mit dem Wolf und allen Überlegungen, wie wir zukünftig mit ihm umgehen, wird immer wieder deutlich, dass es einer flächendeckend vorhandenen Organisationsstruktur von geschulten Fachleuten bedarf, die die notwendigen Eingriffe bei einzelnen verhaltensauffälligen Tieren und zukünftig im praktischen Bestandsmanagement leisten können. Und egal wie man es am Ende des Tages mit allerlei teils ideologischen Verrenkungen dreht und wendet, es gibt nur eine einzige gesellschaftliche Gruppe, die diese Voraussetzungen erfüllt: Die Jäger!

Deshalb muss die Frage, ob der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden soll, mit einem glasklaren und unmissverständlichen Ja beantwortet werden! Soll die Akzeptanz für den Wolf bei flächendeckender Besiedlung langfristig gesichert werden, so bedarf es eines bewährten und geregelten Systems, das mit dem deutschen Reviersystem bereits vorhanden ist. Die Jägerschaft ist zudem überaus gut beraten, sich diesem Thema offensiv und ohne jegliche Scheuklappen zu stellen. Dabei muss auch die Erfahrung aus vielen Nachbarländern berücksichtigt werden, dass die essentielle Voraussetzung für den Schutz der Wölfe die Akzeptanz in der Bevölkerung ist. Wenn diese Akzeptanz verloren geht, dann wird keine Macht der Welt den Wolf schützen können. Die Jäger sind daher auch aus Gründen ihres Selbstverständnisses und ihrer jagdlichen Ethik als Naturschützer aufgerufen deutlich zu machen: Der Wolf ist Wild – in Zuständigkeit wie Verantwortung!

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RBZ – Nr. 4 / 26. Januar 2019

Heimat für Biber, Wolf und Kormoran?

Heimat für Biber, Wolf und Kormoran?

Unter dem Titel „Heimat für Biber, Wolf und Kormoran? Naturschutz und Landwirtschaft in Brandenburg“ hatte die Europaabgeordnete Susanne Melior (SPD) zu einer Veranstaltung am 12. Oktober in die Heimvolkshochschule am Seddiner See eingeladen. Der nahezu voll besetzte Tagungssaal zeigte, wie groß das Interesse an der Thematik ist. So ging es in der Podiumsdiskussion dann auch munter zur Sache.

Ebenfalls im Saal saß Ulrich Böcker, Geschäftsführer der Familienbetriebe Land & Forst Brandenburg und Mitglied im Geschäftsführerkollegium des „Forum Natur Brandenburg“. Er schrieb Susanne Melior im Anschluss einen Brief, in dem er seine Sicht der Dinge rund um das Thema Natura 2000 und FFH-Management zusammenfasst. Auszüge seines Briefes sind mit freundlicher Genehmigung des Verfassers im aktuellen Heft „DER MÄRKISCHE FISCHER“, Ausgabe 66 | Januar bis März 2018, veröffentlicht. Gerne geben wir die hochinteressanten Ausführungen hier wieder:

Sehr geehrte Frau Melior,

vielen Dank für die heutige – anregende − Veranstaltung zu Biber, Wolf und Kormoran in Neuseddin.

FFH- und „Vogelschutz“-Richtlinie entwickeln zunehmend Sprengkraft. Sie haben sich in Deutschland auf Bundes- wie Landesebene längst zu einem – zumindest gefühlt – kaum noch beherrschbaren Moloch entwickelt. Darunter leidet vor allem der ländliche Raum, und zwar massiv.

Gutachtenaufträge von zumeist in der entsprechenden Szene selbstverständlich gut verdrahteten Mitarbeitern in Regierung und Verwaltung halten eine ganze Industrie von Öko-Büros am Leben, deren Daseinszweck vor allem in der Abfassung von sog. „Managementplänen“ besteht (die sich als zunehmend nutzlose, für die Betroffenen gleichwohl gefährliche Papierberge erweisen). Eigens rekrutierte „Biber- oder Wolfsbeauftragte“ gehören in dieselbe Kategorie.

Mit dem „Monitoring“, der „Rissbegutachtung“ oder der genetischen Analyse von Spuren wie Kadavern lassen sich ganz neue Forschungszweige bzw. Fördertöpfe eröffnen und lässt sich vor allem trefflich Geld verdienen. Von Sekundärmärkten für z.B. technisches Gerät bis hin zum Verkauf von Wolfsdevotionalien ein Selbstbedienungsladen ersten Ranges. Dass dieses wahrlich florierende perpetuum mobile, koste es, was es wolle, unter allen Umständen am Laufen gehalten werden muss, versteht sich von selbst.  Die einschlägige NGO-Szene einschließlich nachgelagerter „Produktionszweige“ stößt sich daran finanziell gesund – und zwar auf Kosten des ländlichen Raumes.

Vor allem aber behalten bestimmte Kreise durch die Lenkung wie Monopolisierung des Themas und seine rechtliche Flankierung die Deutungshoheit über das FFH-Geschehen im Lande. Mit der FFH-Richtlinie wird die Machtfrage im ländlichen Raum neu gestellt. Denn eigentlich kann Land-, Forst- oder Fischereiwirt auf seinen Flächen im Rahmen des geltenden Rechts machen, was er will. Wenn seine Rechte, insbesondere solche nach Art. 14 GG (Eigentum), eingeschränkt werden, dann bedarf es dazu demokratisch legitimierter Gesetzesakte.

Im Falle der FFH-Richtlinie liegt der Fall dagegen anders: Die Richtlinie definiert qua Einstufung z. B. von Biber, Wolf und Kormoran total geschützte, mithin sakrosankte Arten. Wo auch immer diese aufkreuzen (und sie tun das – jedenfalls bislang – nicht in den Städten, sondern nur außerhalb im ländlichen Raum), verliert der Eigentümer jegliches Abwehrrecht. Er muss buchstäblich tatenlos zusehen, wie seine Fische massakriert, seine Schafe, Rinder oder Pferde gerissen, seine Flächen unter Wasser gesetzt oder seine Deiche geschwächt werden. Es ist absolut absehbar, dass es nicht bei Sachschäden bleibt, sondern irgendwann in der näheren oder ferneren Zukunft auch Menschen zu Schaden kommen.

Die Folgen des Verlustes individueller Freiheit selbst bei nur gefühlten Bedrohungsszenarien durch frei laufende Großraubtiere für die Menschen im ländlichen Raum lassen wir hier einmal außer Betracht. Fakt ist: Ohne jede demokratische Legitimation entscheiden angebliche oder wirkliche naturschutzfachliche Experten, wann der Zustrom selbst längst zur Plage gewordenen Arten ein Maß erreicht hat, das Eingriffe erfordert oder zumindest zulässt.

Dabei ist das auch heute wieder gehörte Mantra, dass allein naturschutzfachliche Gesichtspunkte über den Erhaltungszustand einer Art entscheiden, so irreführend wie falsch. Denn die (oftmals leider nur selbsternannten) „Experten“ entscheiden tatsächlich wie die sprichwörtlichen Fachidioten. Sie operieren mit Populationsgrößen, die sie bestimmten Flächeninhalten zuordnen. Bei dem Jonglieren mit Flächenvorgaben und Ausbreitungskoeffizienten werden politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, vor allem aber landschaftskulturelle Gegebenheiten explizit ausgeblendet.

Naturschutzfachlich möglicherweise sogar höchst qualifiziert, in der Sache aber absolut ignorant, nehmen die „Experten“ bei dieser Operation der Politik die Zügel vollständig aus der Hand. Und dann grassiert eben der ungehemmte Ausbreitungswahn. So selbstverständlich es ist, dass Wölfe auf dem Potsdamer Alten Markt aus Gründen fehlender öffentlicher Akzeptanz nichts verloren haben, eben weil dies politisch so gewollt ist, so ist es Aufgabe der Politik, Regionen, Bereiche oder Orte zu definieren, wo Wölfe geduldet werden können und wo nicht.

Denn das führt zu den schon jetzt unhaltbaren Zuständen: Wenn die total geschützte Art einen Schaden anrichtet, dann liegt es, so die zynische Argumentation, natürlich nicht am Biber-, Wolf- oder Kormoran-typischen Verhalten, sondern – und zwar ausschließlich – an fehlerhaften bzw. mangelnden Schutzmaßnahmen auf Seiten der Geschädigten. Die mit dieser eigentlich bodenlos unverfrorenen Argumentation einhergehende Aufrüstungsspirale verschlingt öffentliche wie private Ressourcen in einem Umfang, der schon heute abenteuerlich ist. Ganz abgesehen davon, dass die Verhältnisse in Deutschland sich regional schlicht nicht eignen, um z. B. flächendeckend meterhohe und unter elektrische Spannung gesetzte Zäune zu errichten – von der Verunstaltung der Landschaft einmal ganz abgesehen.

Der Verweis der Geschädigten auf finanziellen Schadensersatz ist dabei kein wirklicher Ausgleich, sondern eben nur „Ersatz“. Was monetär ersetzt wird, ist, wie jedermann weiß, nicht das, was der Geschädigte zuvor an dem geschädigten Gegenstand hatte. Schafe, Kälber oder Pferde sind für ihre Besitzer eben nicht nur pekuniäre Größen, die sich mit ein paar Euro ersetzen lassen. Es macht die Menschen im ländlichen Raum wütend und aggressiv, wenn sie sich derartige Parolen anhören müssen. Es geht schließlich um ihre persönliche Sicherheit, ihre Tiere, ihr Hab und Gut, es geht um ihre Heimat.

Wolf, Biber und Kormoran werden vor den Toren der Stadt deshalb längst als – dringend abzuwehrende – Einmischung Dritter in den eigenen Rechtskreis wahrgenommen. Nicht mehr Herr im eigenen Haus sein zu können, sondern sich Maßregelung, Gängelung und Schaden in einem Ausmaß gefallen lassen zu müssen, „nur“ um – fehlverstandenem – europäischem Artenschutz Rechnung zu tragen, führt zu den heute auch von anderen Diskutanten weithin beklagten Ohnmachtsgefühlen.

Der Eindruck, einer von bestimmten Interessengruppen ohne die erforderliche politische Kontrolle vorangetriebenen Entwicklung letztlich schutzlos ausgeliefert zu sein, ist mutmaßlich die stärkste Triebfeder für die landauf landab zu beobachtende Entwicklung, sich zu widersetzen, jedenfalls aber dem grassierenden Treiben keinesfalls länger tatenlos zuzusehen. Was das Maß vollmacht, ist schließlich die schlechthin unerträgliche Arroganz, mit der den Menschen im ländlichen Raum aus den städtischen Wärmestuben heraus vermittelt wird, was sie zu ertragen haben und was nicht.

Daran sollten Sie etwas ändern. Dann hätten Sie tatsächlich etwas gekonnt. Nicht nur für die Heimat von Biber, Wolf und Kormoran, sondern vor allem für die Heimat der Menschen in diesem Lande.

Mit freundlichen Grüßen!

Ulrich Böcker
Geschäftsführer der Familienbetriebe Land & Forst Brandenburg


Umwelt- und agrarpolitische Erwartungshaltung der Verbände

Umwelt- und agrarpolitische Erwartungshaltung der Verbände

„Das letzte Jahr der 6. Legislatur nutzen, Stillstand beenden, Kulturlandschaft entwickeln!“

Mit der ersten Sitzung des „Agrar- und Umweltausschusses“ nach der Sommerpause beginnt gleichzeitig das letzte politische Jahr in der sechsten Legislaturperiode des Landtages. Die Verbände im ländlichen Raum gehen an diese letzte Phase mit hoher Erwartungshaltung heran, da eine Reihe sehr bedeutender Themen noch unerledigt sind. Von klassischen agrarpolitischen Aspekten über die ungelösten Probleme mit NATURA 2000, den offenen Fragen zum neuen Wassergesetz bis hin zu einer von der Landesregierung bislang betriebenen Forstreform, ergibt sich reichhaltiger Handlungsbedarf. Das letzte Jahr der 6ten Legislatur darf nach den eher bescheidenen vier Jahren zuvor nicht einfach abgewickelt werden; Brandenburg muss den umwelt- und agrarpolitischen Stillstand überwinden!
Die Verbände haben ihre Erwartungshaltung und sechs konkrete Forderungen an Regierung und Parlament heute im Rahmen eines Pressegespräches in Potsdam vorgestellt. Folgende teilweise begonnene Projekte müssen noch in diesem Jahr umgesetzt werden:

  1. Das auch in Brandenburg bestehende Schutzgebietsnetz „NATURA 2000“ muss zum Erfolg geführt werden. Die rechtlich fragwürdige und fachlich katastrophale Umsetzung durch die Umweltverwaltung gilt es zu überwinden. Die Verbände fordern eine Befassung des Um-weltausschusses mit den bestehenden Mängellisten zu FFH und NATURA 2000!
  2. Umsetzung des Maßnahmenpaketes Dürrehilfe, bei dem der durch die Landesregierung formulierte Anspruch zur Wirklichkeit entwickelt werden muss!
  3. Die Rückkehr des Wolfes bedarf einer Stärkung der Weidetierhaltung in Brandenburg. Das Wolfsmanagement gilt es weiterzuentwickeln. Der „Acht-Punkte-Plan“ der Verbände ist umzusetzen.
  4. Bei der Umsetzung des Gesetzes zur „Forstreform“ erwarten die Verbände im Rahmen ih-rer Stellungnahme eine umfassende Befassung des Parlamentes die dazu führt, dass ne-ben den rein administrativen Fragen die zu klärende zukünftige Finanzierung der forstli-chen Verwaltung sichergestellt wird. Dabei sind insbesondere die bislang gänzlich unklaren Fragen rund um den Waldschutz zu klären!
  5. Das „Brandenburgische Jagdgesetz“ ist einer kleinen Novelle zu unterziehen. Die Verbände haben dazu drei Vorschläge unterbreitet, die auf Basis maximaler Konsensfähigkeit sofort umgesetzt werden können. Gleichzeitig erwarten die Verbände im Rahmen der durch die Landesregierung angekündigten „Zukunftswerkstatt Jagd Brandenburg“ einen offenen Dia-log, der nach Jahren der Stagnation in einer Förderung des Jagdwesens in Brandenburg mündet.
  6. Die Novelle des Wassergesetzes muss stringent weiterverfolgt werden. Dabei sind die dringend notwendigen Rechtsverordnungen zur Beitragsdifferenzierung und zur Befahrbarkeit der Gewässer mit E-Motoren im Sinne der Beschlüsse des Landtages umzusetzen.

Die Materialien und Unterlagen zum Pressegespräch können Sie nachfolgend downloaden:

„Sechs Forderungen der Verbände“
„Acht-Punkte-Plan“ zum Wolfsmanagement
Verbändeschreiben an den Agrarausschuss in Sachen FFH/NATURA 2000
Mängelliste des „Forstausschusses“ zum Vollzug der FFH-Richtlinie