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Zum öffentlichen Fachgespräch „Wolf und Herdenschutz – Suche nach konstruktiven Lösungsansätzen“ am Montag, den 8. Oktober 2018, war auch das „Forum Natur Brandenburg“ als Expertenvertreter geladen. Der Geschäftsführer des FNB, Gregor Beyer, hat im Rahmen der Anhörung insbesondere auf die Situation in Brandenburg abgestellt und dabei die Möglichkeiten von Eingriff und Bejagung des Wolfsbestandes nach den gegenwärtigen und den zukünftigen rechtlichen Möglichkeiten dargestellt. Ebenso ist er auf den Umstand eingegangen, dass es zur Sicherstellung der Akzeptanz für den Wolf zukünftig der Definition eines sogenannten „Nationalen Akzeptanzbestand“ und dessen rechtlicher Fassung bedarf. Mit Darlegungen für eine zukünftige „wildökologische Raumplanung“ hat er den dringenden Bedarf an Konkretisierung der parlamentarischen Anträge zur Umsetzung der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verdeutlicht.

Nachfolgend findet sich sein verschriftlichtes Eingangsstatement:


„Wolf und Herdenschutz – Suche nach konstruktiven Lösungsansätzen“

Gregor Beyer

Brandenburg ist zusammen mit Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern eines derjenigen Bundesländer, in welchem sich die Probleme rund um das Wiedererstarken des nationalen Wolfsbestandes am deutlichsten manifestieren. Während in der ehemaligen DDR ununterbrochen einwandernde Wölfe konsequent erlegt wurden, genießen diese Tiere seit dem 1. April 1992 mit Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes in den neuen Ländern faktisch den umfänglichen Schutz der europäischen FFH Naturschutzgesetzgebung.

Abbildung 1: Wolfsrisse an Nutztieren nach Angaben des MLUL Brandenburg, Stand 07/2018

Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die im ersten Wolfsmanagementplan für das Bundesland Brandenburg bereits 1994 minutiös vorausgesagt wurde. Durch das vollständige Einstellen der Bejagung des Wolfs und der dadurch wieder möglichen Reproduktion begann sich, ausgehend von großen Truppenübungsplätzen, innerhalb weniger Jahre ein stabiler Wolfsbestand aufzubauen. Gleichzeitig korrelieren seit dieser Zeit analog zum jährlichen Zuwachs von rund 30 % die zu beobachtenden Schäden an Nutztieren. Während in den ersten Jahren vor allem die Schafhalter betroffen waren, nehmen nunmehr auch die Schäden an Rindern deutlich zu. Dies deutet auf die aus vielen anderen Ländern bekannte Aufrüstungsspirale der Schutzmaßnahmen hin.

In dieser Situation haben die Betroffenen im Land Brandenburg große Hoffnungen in die Formulierung des Koalitionsvertrages der gegenwärtigen Bundesregierung gelegt. In diesem wird unter dem Kapitel „Weidetierhaltung“ wie folgt ausgeführt:

„Die Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten. Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können. Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln. Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale Entnahme. Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune überwunden haben oder für den Menschen gefährlich werden, entnommen werden.“

Diese Ausführungen decken sich vollumfänglich mit den Erfahrungen aus Brandenburg, wo die politische Debatte mittlerweile insbesondere auf das zukünftig dringend notwendige Bestandsmanagement des Wolfes abzielt. Umso enttäuschender sind die Ausführungen im Antrag der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD (Drucksache 19/2981), die diesen Aspekt bislang vollständig ausklammern.

Um zu einer befriedigenden Situation für die betroffenen Bundesländer zu gelangen, wird es unumgänglich sein, dass der Bundesgesetzgeber die bislang höchst strittigen Formulierungen zum „Bestandsmanagement“ einer streng geschützten Art im Bundesnaturschutzgesetz konkretisiert. Dabei steht der Gesetzgeber vor dem Problem, dass der sogenannte Eingriff in den Bestand einer streng geschützten Tierart nach § 45, Abs. 7 BNatSchG bereits heute als Einzelfallentscheidung möglich ist. Diese Möglichkeit hat das Bundesland Brandenburg durch Inanspruchnahme der Verordnungsermächtigung durch eine eigene Brandenburgische Wolfsverordnung (BbgWolfV) genutzt und bewegt sich damit unter Vorbehalt gegebenenfalls noch gerichtlich zu klärender Fragen „haarscharf“ an der Grenze dessen, was die Bundesgesetzgebung momentan ermöglicht.

Auf der anderen Seite der praktischen Möglichkeiten steht die sogenannte reguläre Bejagung, wie sie in Deutschland über die Revierjagd und in anderen EU-Ländern über die Lizenzjagd, ausgeübt wird. Solange der Wolf jedoch in den Anhang IV der FFH-Richtlinie eingestuft ist, besteht diese Möglichkeit in der Bundesrepublik für den Wolf nicht im praktischen Vollzug. Es wird daher eine dringend anzugehende Aufgabe der Bundespolitik sein, eine Umstufung des Wolfs in den Anhang V zu erreichen, wenngleich dafür ein „einstimmiger Ratsbeschluss“ auf EU-Ebene notwendig ist.

Abbildung 2: Darstellung der rechtlich möglichen und gegenwärtig nicht möglichen Varianten für ein Bestandsmanagement des Wolfes in Deutschland

Für die Lösung der gegenwärtigen praktischen Probleme bietet sich dem Bundesgesetzgeber in Umsetzung des Koalitionsvertrages daher nur die mittlere Säule des Bestandsmanagements an, die bislang unter dem Fachbegriff der „Schutzjagd“ geführt wird. Diese durchaus mögliche aber strittige Variante ergibt sich unter der Voraussetzung, dass für eine Bestandsbeeinflussung des Wolfes das mildeste Mittel versucht aber nicht zielführend angewendet werden konnte (Eskalationsstufen der eingesetzten Mittel) und von den getroffenen Maßnahmen keine negativen Auswirkung auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation ausgeht. Diese Möglichkeit des Bestandsmanagements für Wolfsbestände wird bereits von den skandinavischen Ländern angewandt und sollte auch für den Bundesgesetzgeber im Fokus der Betrachtung stehen. Eine praktische Umsetzung der Formulierung im Koalitionsvertrag kann nur dann gelingen, wenn der Bundesgesetzgeber die Umsetzung der FFH-Richtlinie in die nationale Gesetzgebung im Bundesnaturschutzgesetz nachjustiert. Darin liegt der rechtliche Anspruch begründet, wenn zukünftig die Akzeptanz für den Wolf weiter erhalten bleiben soll.

Für die fachlich praktische Herangehensweise an die Bestandssteuerung im Rahmen des „Schutzjagdansatzes“ wird es zukünftig unumgänglich notwendig sein, dass sich die Bundesrepublik Deutschland (hierin umgesetzt und übertragen auf einzelne Bundesländer) auf einen sogenannten „Nationalen Akzeptanzbestand“ des Wolfes für Deutschland einigt. Unter einem „Akzeptanzbestand“ versteht man denjenigen nationalen Wolfsbestand, der einen Beitrag zum günstigen Erhaltungszustand der europäischen Wolfspopulation leistet und dessen Schadenssituation vollumfänglich volkswirtschaftlich durch Rechtsanspruch für die Geschädigten in einem „Wildtierschadensausgleichsgesetz (WildSchadAusgG)“ abgesichert ist.

Abbildung 3: Darstellung eines Ansatzes für die Definition eines „nationalen Akzeptanzbestandes“ und der Möglichkeiten für dessen aktives Management

Eine zielführende und konfliktminimierende Herangehensweise kann nach Auffassung der Verbände in Brandenburg nur über einen solchen klar definierten Ansatz erreicht werden. Auf Basis eines definierten Akzeptanzbestandes wird es zukünftig möglich werden, sogenannte verhaltensauffällige Wölfe nach den bereits heute schon rechtlichen Möglichkeiten zu entnehmen und alle diejenigen Wölfe, die durch natürlichen Zuwachs oberhalb des Akzeptanzbestandes entstehen, zukünftig mit den Mitteln der Schutzjagd aktiv zu managen. Mit Übernahme des Wolfes in den Anhang V der FFH-Richtlinie wird dieser Schutzjagdansatz perspektivisch in eine reguläre Bejagung im Rahmen des bewährten deutschen Jagdrechts übergehen müssen.

Aus den Erfahrungen im Bundesland Brandenburg ist zudem zu empfehlen, dass sich die Bundesrepublik zukünftig der Herausforderung einer wildökologischen Raumplanung auch für den nationalen Wolfsbestand stellt. Dabei sind insgesamt drei sogenannte Wolfsareale zu definieren und auszuweisen, für die folgende Einstufung vorgeschlagen wird:

A) Wolfsschutzareale:

Große zusammenhängende Landschaftskomplexe (z.B. große Waldgebiete, Truppenübungsplätze, Bergbaufolgelandschaften oder große Schutzgebiete mit einer eher geringeren menschlichen Besiedlung und keiner intensiven Weidetierhaltung).


B) Wolfsmanagementareale:

Perspektivisch der deutlich größte Anteil möglicher Wolfslebensräume. Hier können Wolfsbestände grundsätzlich toleriert werden, müssen mit dem Instrumentarium des Schutzjagdansatzes bei Festlegung der im jeweiligen Bundesland geltenden Akzeptanzgrenze jedoch in ihrem Bestand gemanagt werden.


C) Wolfsproblemareale:

Alle jene Landschaftsbestandteile, in denen das Vorhandensein von Wölfen, insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr heraus, nicht toleriert werden kann (z.B. alle urban geprägten Bereiche sowie der unmittelbare Siedlungsbereich um Wohnbebauungen im ländlichen Raum).
Auch solche Gebiete, in denen entweder eine intensive Weidetierhaltung mit großem Konfliktpotenzial zum Wolf betrieben wird oder Landschaftsbestandteile, in denen es nicht möglich ist, eine Koexistenz zwischen Wölfen und extensiver Weidewirtschaft zu gestalten (z.B. Deiche, Almen).

Die im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung geforderte Definition von geeigneten Kriterien für die letale Entnahme sind nach den Erfahrungen aus Brandenburg an diesem Arealkonzept zu orientieren.

Berlin, 08.10.2018