Am 09.12.2019 hat der Umweltauschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zu den Vorlagen „Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ durchgeführt. Der Geschäftsführer des Forum Natur Brandenburg, war anlässlich der Befassung als anzuhörender Sachverständiger geladen. Es hat dabei deutlich gemacht, dass das Gesetzesvorhaben in seiner bislang geplanten Umsetzung droht ein „Wolfsakzeptanzverlustbeschleunigungsgesetz (WAVBG)“ zu werden.
Die gesamte Anhörung mit den dazugehörigen Dokumenten findet sich auf den Seiten des Ausschusses Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Deutschen Bundestages. Im Verlauf der Änhörung hat die Frage nach der Höhe des deutschen Wolfsbestandes eine zentrale Rolle eingenommen. Hierzu hat Gregor Beyer ausführlich die gegenwärtige Situation dargelegt und dabei auf das Bundesamt für Naturschutz (BfN) erwiedert.
Die von dem Wiedererstarken der deutschen Wolfsbestände betroffenen Landnutzer begrüßen es unumwunden, dass sich der Deutsche Bundestag der dringend notwendigen Gesetzesänderung stellt, die insgesamt durch die Entwicklung der europäischen Wolfspopulation notwendig wird und deren Bedarf für ein „aktives Bestandsmanagement“ immer deutlicher zutage tritt. Wir begrüßen in diesem Kontext ebenso ausdrücklich, dass die Hauptzielsetzung für ihr Gesetzesvorhaben darin liegt, „die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu erhöhen“. Dass es diesbezüglich einen grundsätzlichen Bedarf gibt, ist über die verschiedenen verbandspolitischen Positionierungen hinweg in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile unumstritten.
Gleichwohl stellt sich im Rahmen Ihrer Zielsetzung die für die Betroffenen geradezu essenzielle Frage, ob die Art und Weise ihrer gesetzesseitigen Umsetzung geeignet ist, diesem Ziel zu entsprechen. Gleichwohl muss die Frage erörtert werden, inwieweit Ihr Vorhaben insgesamt mit der sich gegenwärtig abzeichnenden Lage zur Betroffenheit der Landnutzung in der deutschen Kulturlandschaft geeignet ist, die bestehenden Konflikte mindestens zu minimieren und die Akzeptanz für die weiterhin ungebrochene Ausbreitung der Wölfe in Deutschland zu erhalten. Eingedenk dieser Vorbemerkung möchten wir die folgende Stellungnahme auf diese beiden Punkte konzentrieren.
I. Möglichkeit der Schaffung von Rechtsicherheit
Das Bundesnaturschutzgesetz fordert vor der letalen Entnahme einzel-ner Wolfsindividuen bislang den Nachweis des Entstehens „erheblicher land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher Schäden“. Sie beabsichtigen diese Schadensdefinition abzustufen, indem Sie den Begriff der erheblichen Schäden in sogenannte ernsthafte Schäden umdefinieren wollen. Grundsätzlich ist diese Herangehensweise zu begrüßen, da die gegenwärtig gültige Rechtsprechung den bislang gültigen Begriff der erheblichen Schäden in einer Art und Weise auslegt, die faktisch den wirtschaftlichen Ruin eines betroffenen Unternehmens voraussetzt, bevor die Verwaltung die Entnahme einzelner Tiere bescheiden kann.
Dabei unterlassen Sie es jedoch in Ihrem Gesetzesvorhaben vollständig, den neuen Rechtsbegriff auch nur ansatzweise näher zu definieren. Weder beabsichtigen Sie, in das Gesetz eine „Positiv- bzw. Negativliste“ einzuführen, noch geben Sie ergänzende Hinweise im Gesetzestext, die die spätere Auslegung Ihres gesetzgeberischen Willens für die rechtlich wie praktisch Betroffenen möglich macht. Es ist daher davon auszugehen, dass die spätere Anwendung der Definition „ernsthafte Schäden“ die gleichen jahrelang betriebenen rechtlichen Auseinandersetzungen nach sich ziehen wird, die in den vergangenen Jahren bereits im Rahmen der Auslegung des Begriffes „erheblicher Schäden“ zu beobachten war. Wir weisen diesbezüglich insbesondere auf die erfolgten Auseinandersetzungen zwischen dem Landkreis Märkisch-Oderland (Bundesland Brandenburg) und den dort aktiven Umwelt NGOs bezüglich der Entnahme von Bibern hin. Im Lichte dieser Auseinandersetzung erweist sich Ihr Gesetzesvorhaben als zutiefst kontraproduktiv, da die zwischenzeitlich eingetretene, wenn auch un-genügende Rechtssicherheit bezüglich der Auslegung von „erheblichen Schäden“ im Zuge Ihres Gesetzesvorhabens von erneuten jahrelangen Auseinandersetzungen bezüglich des dann neuen Begriffes abgelöst werden wird.
Hingewiesen sei in diesem Kontext auch darauf, dass die Einschätzung der Bundesregierung zum „Erfüllungsaufwand“ Ihres Gesetzesentwurfes in allen drei Punkten nicht zutreffend ist. Sowohl für betroffenen Bürgerinnen und Bürger, gleichfalls wie von den Wölfen betroffene Wirtschaftsunternehmen (insb. Agrarunternehmen mit Weidetierhaltung), als auch für die betroffene Verwaltung wird im Zuge der Schaffung von Rechtssicherheit bezüglich der Auslegung des neuen Rechtsbegriffs erheblicher Aufwand entstehen, der sich nach allen vorangegangenen Erfahrungen über mehrere Jahre und über mehrere Instanzen der Rechtsprechung hinziehen wird. Gleiches gilt selbstverständlich für die Darlegung zu den nicht zu erwartenden weiteren Kosten. Selbstverständlich ist das durch das zu erwartende Beklagen der neuen Gesetzeslage bzw. der darauf fußenden Verwaltungsentscheidungen mit erheblichen Aufwendungen zu rechnen.
Ihr Vorhaben ist daher nicht geeignet, zur Rechtssicherheit beizutragen, sondern wird vielmehr eine erneute Phase akzeptanzminimierender Rechtsunsicherheit begründen.
Ferner beabsichtigen Sie zukünftig einen Eingriff bei Schäden an Nutztieren auch dann möglich zu machen, wenn das entstandene Schadensbild nicht zweifelsfrei und eindeutig einem verursachenden Wolfsindividuum zugeordnet werden kann. Sie schaffen damit in Bezug auf die teilweise bestehenden Regelungen in den Wolfverordnungen der Länder ein Stück weit Rechtssicherheit und bestätigen bundesgesetzlich die beispielsweise im Bundesland Brandenburg durch die Wolfsverordnung bereits heute bestehende Rechtssituation.
Zusätzlich beabsichtigen Sie eine Klarstellung bezüglich der Bestimmung für geeignete Personen, die eine Entnahme von Wölfen nach Erteilung einer Ausnahme durchführen sollen. Auch diese Neuregelung wird im Grundsatz begrüßt. Allerdings zeigen insbesondere aktuell vorliegende Erfahrungen (siehe hier aktuell insbesondere Bundesland Schleswig-Holstein), dass eine Entnahme von entsprechenden Wolfsindividuen nur auf dem Wege eines großflächigen Ansatzes durch die Jagdausübungsberechtigten innerhalb des deutschen Reviersystems realistisch ist. Es erweist sich daher als ungenügend, dass Sie in Ihrem Gesetzesvorhaben lediglich auf eine Einbeziehung der Jagdausübungsberechtigten „nach Möglichkeit“ abstellen wollen.
Dies entspricht auch nicht den bereits heute gültigen Regelungen, wie sie beispielsweise das Bundesland Brandenburg getroffen hat. Es ist daher eine Regelung anzuraten, bei der die Jagdausübungsberechtigten grundsätzlich als „Erstzugriffsberechtigte“ zu benennen sind, während die Realisierung der Entnahme durch anderweitige Personen nur dann infrage kommen darf, wenn einzelne oder mehrere Jagdausübungsberechtigten ihre Bereitschaft für den Vollzug verweigern. Diesbezüglich wäre es deutlich anzuraten, dass die für die Entnahme notwendigen Jagdausübungsberechtigten für diese zukünftigen Aufgaben entsprechend qualifiziert werden und ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wird, indem die notwendige Entnahme auf Basis klarer und nachvollziehbarer Regelungen in einem zweifelsfrei bestehenden „Zustand von Rechtssicherheit“ erfolgen kann.
II. Kompatibilität des Vorhabens zur aktuellen „Wolfssituation“
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen muss die Frage gestellt werden, inwieweit der von Ihnen beabsichtigte Regelungsbedarf der Lebenswirklichkeit Betroffener und der aktuellen Wolfsituation gerecht wird. Um den gegenwärtigen Zustand des „nationalen Wolfsbestandes“ und dessen Auswirkungen zu beurteilen, bieten sich insbesondere die Bestandszahlen und die aus diesen entstehenden Schäden an Nutztieren an. Bezüglich der Bestandszahlen der in der Bundesrepublik beheimateten Wölfe ist nicht nur deren Höhe von Interesse, sondern vor allem auch die Art und Weise, wie diese Bestandszahlen mit welchen Bezugszeitpunkten publiziert und wahrgenommen werden. So hatte beispielsweise das Bundesamt für Naturschutz im nationalen Bericht nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie mit Beginn dieses Jahres 166 Wölfe als nationalen Bestand (kontinentale und atlantische Region) an die EU gemeldet. Dieser Umstand hat in den vergangenen Wochen für erhebliche Debatten und Irritationen gesorgt. Ursächlich dafür war der Umstand, dass diese Meldung lediglich den Wolfbestand in Deutschland mit Bezug zum Monitoringjahr 2015/16 wiedergegeben hat. Diese in der zeitlichen Abfolge der FFH-Berichte erklärbaren Bestandszahlen widersprechen jedoch diametral dem gegenwärtigen deutschen Wolfsbestand, mit dem sich die Betroffenen konfrontiert sehen.
Auch die in der vergangenen Woche durch das Bundesamt für Naturschutz gemeldeten sogenannten aktuellen Bestandszahlen sind zum Zeitpunkt ihrer Meldung bereits überholt. Rechnet man diese Zahlen (105 Rudel, 25 Wolfspaare und 13 Einzelindividuen) nach den wissenschaftlich anerkannten Kenngrößen (ein Rudel entspricht acht Individuen) auf Einzelindividuen um, so würde dies einer Anzahl von 878 Wölfen in Deutschland entsprechen. Allerdings ist hierbei zu berück-sichtigen, dass es sich dabei um den Frühjahrsbestand dieses Jahres handelt, also ohne den längst vorhandenen Nachwuchs. Ermittelt man diesen mit der ebenfalls wissenschaftlich anerkannten Zuwachsrate von 35-36 %, so leben offiziell gegenwärtig etwas über 1.190 Wölfe in Deutschland.
Will man sich diesbezüglich mit dem Handlungsbedarf für politische Entscheidungen auseinandersetzen, so muss man diese aktuelle Bestandszahl in einer mathematischen Simulation für die kommenden Jahre betrachten. Dies bedeutet, dass bereits im Spätjahr 2021 von deutlich über 2.200 Wölfen auszugehen ist, im Spätjahr 2024 die 5.000 Grenze deutlich überschritten sein wird und in etwa zehn Jahren von rund 25.000 Wölfen ausgegangen werden kann. Da für die deutsche Kulturlandschaft keine Kapazitätsgrenze erkennbar ist, die diesen alljährlichen Zuwachs in naher Zukunft begrenzen könnte, muss eine zehnjährige Betrachtungsreihe mit ungebrochenem Zuwachs als durchaus realistisch betrachtet werden.
Diese Bestandsentwicklung geht einher mit der Schadensituation an Nutztieren. Die aktuellen Zahlen vom Ende der letzten Woche machen mit 2.067 getöteten, verletzten oder vermissten Nutztieren im Jahr 2018 deutlich, was ein weiteres Anwachsen des Wolfsbestandes mit dem ebenso exponentiell Anwachsen der Schäden an Nutztieren für die Betroffenen zukünftig bedeuten wird.
Bezüglich dieser Darlegung muss man sich vergegenwärtigen, dass sich die Entwicklung des Wolfsbestandes in den verschiedenen deutschen Bundesländern völlig unterschiedlich darstellt. So mag die durch den Deutschen Bundestag angedachte Neuregelungen im Bundesnaturschutzgesetz durchaus geeignet sein, um in jenen Bundesländern Wirkung zu entfalten, die erst am Anfang der Wiederbesiedlung mit Wöl-fen stehen. Insbesondere in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und auch Niedersachsen gestaltet sich die Situation allerdings gänzlich anders. Hier ist längst eine Grenze in der Bestandsermittlung erreicht, die die dringende Notwendigkeit begründet, die Weichen für ein zukünftiges „aktives Bestandsmanagement“ der Wölfe in Deutschland zu stellen. Mindestens in diesen betroffenen Bundesländern erweisen sich die jetzigen Regelungsvorschläge im BNatSchG daher als deutlich verspätet und werden keinen Beitrag zur Akzeptanzsicherung für den Wolf in Deutschland leisten.
III. Zusammenfassung
Das durch die Bundesregierung eingebrachte und im parlamentarischen Raum diskutierte Vorhaben von gesetzlichen Neuregelungen im Rahmen des Umgangs mit Wölfen geht in einigen Punkten in die richtige Richtung. Gleichwohl wird das Vorhaben nicht seinem Anspruch gerecht, die gegenwärtig unbefriedigende Rechtslage einer umfassenden Verbesserung zuzuführen. Als besonders problematisch erweist es sich, dass die angedachten Neuregelungen, insbesondere in den vom Wiedererstarken des Wolfsbestandes besonders betroffenen Bundesländern, nicht mit der realen Wolfssituation korrespondieren. Den politisch Verantwortlichen verbleibt gegenwärtig nur noch ein geringer Zeithorizont, um jene politischen Entscheidungen zu treffen, die für ein Land mit flächendeckender Besiedlung von Wölfen essenziell sind. Die Vorschläge dazu sind umfänglich erarbeitet. Wir verweisen daher auf den „Handlungsvorschlag für ein praxisorientiertes Wolfsmanagement in der Kulturlandschaft Deutschlands“, den wir dieser Stellungnahme in Anlage beifügen.
Bezüglich des vorgelegten Gesetzesentwurfes eines „zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ verweisen wir daher auf den nach unserer Auffassung falschen Namen für dieses Gesetz. Angebracht wäre es, das Gesetzesvorhaben in seiner jetzigen Ausprägung als „Wolfsakzeptanzverlustbeschleunigungsgesetz (WAVBG)“ zu bezeichnen.
Das Vorhaben wird nach unserer Auffassung lediglich dazu beitragen, den gegenwärtig zu beobachtenden rapiden Verlust der Akzeptanz für Wölfe in unserer Kulturlandschaft zu forcieren. Wir appellieren an den politischen Raum, sich den Realitäten bezüglich des Wiedererstarken des nationalen Wolfsbestandes zu stellen und die europarechtlich zulässigen Ausnahmemöglichkeiten des Artikel 16 FFH-Richtline in bundesdeutsches Recht zu überführen. Jede andere Herangehensweise, die hinter diesem Anspruch zurückbleibt, bedeutet ein Versagen in den Bemühungen um die Ermöglichung einer Kulturlandschaft mit Wolf und Weidetieren!
Sachverständige haben in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages die zukünftige Entwicklung des Waldes und die aktuelle Lage in der Forstwirtschaft als kritisch beurteilt. Ausschussvorsitzender Alois Gerig (CDU/CSU) stellte eingangs fest, dass die Situation des Waldes derzeit in einem besonderen Fokus stehe, unterstreiche auch die Vielzahl von Anträgen, die am Montag, 11. November 2019, von gleich fünf Fraktionen zur Anhörung vorgelegt wurden.
Der Geschäftsführer des Forum Natur Brandenburg, Gregor Beyer, der als Einzelsachverständige geladen war, konstatierte einen Wechsel von der geregelten Forstwirtschaft hin zu einem ausschließlichen „Reperaturbetrieb“. Das Schadholzvolumen dieses und des letzten Jahres entspreche der durchschnittlichen normalen Nutzungsmenge der vergangenen Jahre. Das bedeute, dass zurzeit oder in naher Zukunft nicht die Waldbesitzer oder die Forstwirtschaft die Handlungsspielräume bestimmen würden, sondern das Wetter.
Beyer kritisierte, dass eine Reihe der zur Anhörung vorgelegten Anträge diesen ohnehin schon eingeschränkten Handlungsrahmen der direkt betroffenen Waldbesitzer durch zu viele Vorschriften und kleinteilige Anleitungen weiter einschränken würde. Stattdessen brauche es Freiheit zum Handeln, die möglichst vielfältige Optionen zulasse.
Die Ausführungen des Forum Natur Brandenburg wurden dem Ausschuss auch in einer Schriftlichen Stellungnahme vorgelegt. Diese regt als direkte Handlungsoptionen folgende Handlungsvorschläge an:
Bundesprogramm Wiederbewaldung und Klimafolgenfonds
Es bedarf einer Kompensation von Verlusten durch Schadholz und die Räumung der Schäden. Dazu bedarf es eines schnellen und unbürokrati-schen Bundesprogramms zur Wiederbewaldung. Nach ersten Schätzungen bedarf es dazu eines finanziellen Einsatzes von rund 700 Millionen Euro, die aus den Mitteln des Energie- und Klimafonds erfolgen sollten. Diese Mittel müssen verbindlich im Haushaltsplan 2020 zweckgebunden eingestellt werden. Ferner ist ein Klimafolgenfonds zur künftigen Finanzierung vergleichbarer Ereignisse anzuraten.
Ökosystemare Mehrwerte in betriebliche Mehrwerte transferieren
Die CO2-Bepreisung muss zukünftig eine Honorierung der „Ökosystemleistung „CO2-Speicherung“, differenziert nach Zuwachs und Hiebsatz, beinhalten. Ein Berechnungsmodell auf Basis der Forsteinrichtung muss von den Ministerien in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft entwickelt werden. Ein Entwurf des „Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik“ liegt bereits vor. Die Mittel müssen den bewirtschafteten und aktiv gemanagten Flächen zufließen. Denn eine nachhaltige stoffliche Holzverwendung ist ange-wandter Klimaschutz. Nicht zuletzt aufgrund der Substitutionswirkung beim Ersatz klimaschädlicher Produkte bieten nachwachsende Rohstoffe einen erheblichen Mehrwert für die CO2-Festlegung gegenüber einem Nutzungsverzicht. Weitere Ökosystemleistungen müssen in dieses Sys-tem integriert werden. Die Mittel zur Finanzierung dieser Leistung sollten aus der CO2-Abgabe eingeworben werden.
Waldmehrung durch Ausgleich von Waldverlust
Der Flächenverbrauch in der Bundesrepublik ist nach wie vor mit gegen-wärtig 100 ha pro Tag nicht gestoppt. Dieser Umstand steht im erhebli-chen Widerspruch zu den klimapolitischen Zielen und muss zukünftig dringend kompensiert werden. Maximalen Nutzen kann man nur durch Waldmehrung als Ausgleich des Flächenverlustes erreichen. Dabei sollte jährlich ein bundesweites Erstaufforstungsziel von 11.000 Hektar sowie die Vereinfachung der komplexen Genehmigungsverfahren realisiert werden. Dieser Ansatz würde einen Flächenverbrauch von 30 Hektar pro Tag garantieren, die Klimapotenziale des Waldes ausschöpfen und zur Sicherung der Rohstoffverfügbarkeit von Holz für mehrere Generationen beitragen. Damit bestehende landwirtschaftliche Flächen weiterhin zur Produktion von Lebensmitteln genutzt werden können, müssen zur Waldmehrung insbesondere Konversionsflächen genutzt werden. Zu Finanzierung der Erstaufforstung von jährlich 11.000 Hektar sind mindestens 65 Millionen Euro zu veranschlagen, die zweckgebunden im Haushaltsplan 2020 – 2023 und folgende einzustellen sind.
Zum öffentlichen Fachgespräch „Wolf und Herdenschutz – Suche nach konstruktiven Lösungsansätzen“ am Montag, den 8. Oktober 2018, war auch das „Forum Natur Brandenburg“ als Expertenvertreter geladen. Der Geschäftsführer des FNB, Gregor Beyer, hat im Rahmen der Anhörung insbesondere auf die Situation in Brandenburg abgestellt und dabei die Möglichkeiten von Eingriff und Bejagung des Wolfsbestandes nach den gegenwärtigen und den zukünftigen rechtlichen Möglichkeiten dargestellt. Ebenso ist er auf den Umstand eingegangen, dass es zur Sicherstellung der Akzeptanz für den Wolf zukünftig der Definition eines sogenannten „Nationalen Akzeptanzbestand“ und dessen rechtlicher Fassung bedarf. Mit Darlegungen für eine zukünftige „wildökologische Raumplanung“ hat er den dringenden Bedarf an Konkretisierung der parlamentarischen Anträge zur Umsetzung der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verdeutlicht.
Nachfolgend findet sich sein verschriftlichtes Eingangsstatement:
„Wolf und Herdenschutz – Suche nach konstruktiven
Lösungsansätzen“
Gregor Beyer
Brandenburg ist zusammen mit Sachsen und
Mecklenburg-Vorpommern eines derjenigen Bundesländer, in welchem sich die
Probleme rund um das Wiedererstarken des nationalen Wolfsbestandes am
deutlichsten manifestieren. Während in der ehemaligen DDR ununterbrochen
einwandernde Wölfe konsequent erlegt wurden, genießen diese Tiere seit dem 1. April
1992 mit Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes in den neuen Ländern faktisch den
umfänglichen Schutz der europäischen FFH Naturschutzgesetzgebung.
Abbildung 1:
Wolfsrisse an Nutztieren nach Angaben des MLUL Brandenburg, Stand 07/2018
Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die
im ersten Wolfsmanagementplan für das Bundesland Brandenburg bereits 1994
minutiös vorausgesagt wurde. Durch das vollständige Einstellen der Bejagung des
Wolfs und der dadurch wieder möglichen Reproduktion begann sich, ausgehend von
großen Truppenübungsplätzen, innerhalb weniger Jahre ein stabiler Wolfsbestand
aufzubauen. Gleichzeitig korrelieren seit dieser Zeit analog zum jährlichen
Zuwachs von rund 30 % die zu beobachtenden Schäden an Nutztieren. Während in
den ersten Jahren vor allem die Schafhalter betroffen waren, nehmen nunmehr
auch die Schäden an Rindern deutlich zu. Dies deutet auf die aus vielen anderen
Ländern bekannte Aufrüstungsspirale der Schutzmaßnahmen hin.
In dieser Situation haben die Betroffenen im Land Brandenburg
große Hoffnungen in die Formulierung des Koalitionsvertrages der gegenwärtigen
Bundesregierung gelegt. In diesem wird unter dem Kapitel „Weidetierhaltung“ wie
folgt ausgeführt:
„Die
Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie
zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten. Im Umgang mit
dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die
EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem
Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu
können. Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen
geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln.
Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale
Entnahme. Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune
überwunden haben oder für den Menschen gefährlich werden, entnommen werden.“
Diese Ausführungen decken sich vollumfänglich mit den
Erfahrungen aus Brandenburg, wo die politische Debatte mittlerweile
insbesondere auf das zukünftig dringend notwendige Bestandsmanagement des
Wolfes abzielt. Umso enttäuschender sind die Ausführungen im Antrag der Regierungsfraktionen
von CDU/CSU und SPD (Drucksache 19/2981), die diesen Aspekt bislang vollständig
ausklammern.
Um zu einer befriedigenden Situation für die betroffenen
Bundesländer zu gelangen, wird es unumgänglich sein, dass der Bundesgesetzgeber
die bislang höchst strittigen Formulierungen zum „Bestandsmanagement“ einer
streng geschützten Art im Bundesnaturschutzgesetz konkretisiert. Dabei steht
der Gesetzgeber vor dem Problem, dass der sogenannte Eingriff in den Bestand
einer streng geschützten Tierart nach § 45, Abs. 7 BNatSchG bereits heute als
Einzelfallentscheidung möglich ist. Diese Möglichkeit hat das Bundesland
Brandenburg durch Inanspruchnahme der Verordnungsermächtigung durch eine eigene
Brandenburgische Wolfsverordnung (BbgWolfV) genutzt und bewegt sich damit unter
Vorbehalt gegebenenfalls noch gerichtlich zu klärender Fragen „haarscharf“ an
der Grenze dessen, was die Bundesgesetzgebung momentan ermöglicht.
Auf der anderen Seite der praktischen
Möglichkeiten steht die sogenannte reguläre Bejagung, wie sie in Deutschland
über die Revierjagd und in anderen EU-Ländern über die Lizenzjagd, ausgeübt
wird. Solange der Wolf jedoch in den Anhang IV der FFH-Richtlinie eingestuft
ist, besteht diese Möglichkeit in der Bundesrepublik für den Wolf nicht im
praktischen Vollzug. Es wird daher eine dringend anzugehende Aufgabe der
Bundespolitik sein, eine Umstufung des Wolfs in den Anhang V zu erreichen,
wenngleich dafür ein „einstimmiger Ratsbeschluss“ auf EU-Ebene notwendig ist.
Abbildung 2:
Darstellung der rechtlich möglichen und gegenwärtig nicht möglichen Varianten
für ein Bestandsmanagement des Wolfes in Deutschland
Für die Lösung der gegenwärtigen praktischen
Probleme bietet sich dem Bundesgesetzgeber in Umsetzung des Koalitionsvertrages
daher nur die mittlere Säule des Bestandsmanagements an, die bislang unter dem
Fachbegriff der „Schutzjagd“ geführt wird. Diese durchaus mögliche aber
strittige Variante ergibt sich unter der Voraussetzung, dass für eine
Bestandsbeeinflussung des Wolfes das mildeste Mittel versucht aber nicht
zielführend angewendet werden konnte (Eskalationsstufen der eingesetzten
Mittel) und von den getroffenen Maßnahmen keine negativen Auswirkung auf den
Erhaltungszustand der Wolfspopulation ausgeht. Diese Möglichkeit des
Bestandsmanagements für Wolfsbestände wird bereits von den skandinavischen
Ländern angewandt und sollte auch für den Bundesgesetzgeber im Fokus der
Betrachtung stehen. Eine praktische Umsetzung der Formulierung im Koalitionsvertrag
kann nur dann gelingen, wenn der Bundesgesetzgeber die Umsetzung der FFH-Richtlinie
in die nationale Gesetzgebung im Bundesnaturschutzgesetz nachjustiert. Darin
liegt der rechtliche Anspruch begründet, wenn zukünftig die Akzeptanz für den
Wolf weiter erhalten bleiben soll.
Für die fachlich praktische Herangehensweise an die
Bestandssteuerung im Rahmen des „Schutzjagdansatzes“ wird es zukünftig
unumgänglich notwendig sein, dass sich die Bundesrepublik Deutschland (hierin
umgesetzt und übertragen auf einzelne Bundesländer) auf einen sogenannten „Nationalen
Akzeptanzbestand“ des Wolfes für Deutschland einigt. Unter einem „Akzeptanzbestand“
versteht man denjenigen nationalen Wolfsbestand, der einen Beitrag zum
günstigen Erhaltungszustand der europäischen Wolfspopulation leistet und dessen
Schadenssituation vollumfänglich volkswirtschaftlich durch Rechtsanspruch für
die Geschädigten in einem „Wildtierschadensausgleichsgesetz (WildSchadAusgG)“ abgesichert
ist.
Abbildung 3:
Darstellung eines Ansatzes für die Definition eines „nationalen
Akzeptanzbestandes“ und der Möglichkeiten
für dessen aktives Management
Eine zielführende und konfliktminimierende Herangehensweise kann nach Auffassung der Verbände in Brandenburg nur über einen solchen klar definierten Ansatz erreicht werden. Auf Basis eines definierten Akzeptanzbestandes wird es zukünftig möglich werden, sogenannte verhaltensauffällige Wölfe nach den bereits heute schon rechtlichen Möglichkeiten zu entnehmen und alle diejenigen Wölfe, die durch natürlichen Zuwachs oberhalb des Akzeptanzbestandes entstehen, zukünftig mit den Mitteln der Schutzjagd aktiv zu managen. Mit Übernahme des Wolfes in den Anhang V der FFH-Richtlinie wird dieser Schutzjagdansatz perspektivisch in eine reguläre Bejagung im Rahmen des bewährten deutschen Jagdrechts übergehen müssen.
Aus den Erfahrungen im Bundesland Brandenburg ist zudem zu
empfehlen, dass sich die Bundesrepublik zukünftig der Herausforderung einer wildökologischen
Raumplanung auch für den nationalen Wolfsbestand stellt. Dabei sind insgesamt
drei sogenannte Wolfsareale zu definieren und auszuweisen, für die folgende
Einstufung vorgeschlagen wird:
A) Wolfsschutzareale:
Große zusammenhängende Landschaftskomplexe (z.B. große Waldgebiete, Truppenübungsplätze, Bergbaufolgelandschaften oder große Schutzgebiete mit einer eher geringeren menschlichen Besiedlung und keiner intensiven Weidetierhaltung).
B) Wolfsmanagementareale:
Perspektivisch der deutlich größte Anteil möglicher Wolfslebensräume. Hier können Wolfsbestände grundsätzlich toleriert werden, müssen mit dem Instrumentarium des Schutzjagdansatzes bei Festlegung der im jeweiligen Bundesland geltenden Akzeptanzgrenze jedoch in ihrem Bestand gemanagt werden.
C) Wolfsproblemareale:
Alle jene Landschaftsbestandteile, in denen das Vorhandensein von Wölfen, insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr heraus, nicht toleriert werden kann (z.B. alle urban geprägten Bereiche sowie der unmittelbare Siedlungsbereich um Wohnbebauungen im ländlichen Raum). Auch solche Gebiete, in denen entweder eine intensive Weidetierhaltung mit großem Konfliktpotenzial zum Wolf betrieben wird oder Landschaftsbestandteile, in denen es nicht möglich ist, eine Koexistenz zwischen Wölfen und extensiver Weidewirtschaft zu gestalten (z.B. Deiche, Almen).
Die im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung
geforderte Definition von geeigneten Kriterien für die letale Entnahme sind
nach den Erfahrungen aus Brandenburg an diesem Arealkonzept zu orientieren.